Das Buch der Lebenskunst
Das vertreibt unsere Traurigkeit.
Dass die Wirkung der guten Taten der von heißen Bädern gleichgesetzt wird, mag manchen vielleicht verwundern, Das Bad schenkt Geborgenheit. Die gute Tat führt mich dagegen in die Welt hinaus. Sie fordert mich heraus, von mir und meiner Stimmung Abstand zu nehmen und das zu tun, was gerade ansteht und nottut, was der Mensch neben mir braucht. Gute Taten befreien mich vom narzisstischen Kreisen um mich selbst. Und das tut der Seele gut. Wenn ich durch gute Taten lebendig werde, dann verzieht sich meine Depression. Denn Depression ist Mangel an Leben. In der Depression stehe ich neben mir, da spüre ich mich nicht. Wenn ich etwas Gutes tue, kann ich mich am Erfolg freuen. Es ist mir etwas gelungen. Und wenn der andere sich über meine gute Tat freut, dann wird meine Freude doppelt. Wer sich zu sehr mit seiner Depression beschäftigt, wird immer tiefer in sie hineinrutschen. Ich darf sie sicher nicht verdrängen. Ich muss sie wahrnehmen. Aber zugleich muss ich das tun, was meiner Seele gut tut: einmal ein heißes Bad nehmen oder mir das gönnen, was mir Wohlempfinden gewährt; zum andern von mir wegsehen und auf die Menschen schauen, denen ich etwas Gutes tun könnte. Das beschenkt mich mit neuer Lebendigkeit und Lebensfreude.
FRÖHLICHES HERZ
„Ein fröhlich Herz tut auch dem Körper gut“, sagt die Bibel (Sprüche 17,22). Das stimmt - und doch: Es hilft dem traurigen Menschen nicht, wenn ich ihm sage: Freue dich doch. Ich kann einem Menschen nicht befehlen, dass er sich freuen soll. Aber wichtig ist die Erkenntnis: In jedem von uns liegt auf dem Grund seines Herzens die Freude bereit.
Wir sind davon oft genug nur abgeschnitten. Es ist unsere Aufgabe, mit der Freude wieder in Berührung zu kommen, die in uns ist. Es gibt ganz konkrete Mittel, die uns dabei helfen: Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, worüber wir uns als Kind gefreut haben. Oder wir nehmen die kleinen Dinge des Alltags wahr, die Grund zur Freude sind: das Lächeln der Verkäuferin, das schöne Wetter, die frische Luft, die uns umweht, die Lebendigkeit unserer Kinder. Die Fähigkeit, sich zu freuen und der Freude in seinem Herzen Raum zu geben, ist für den Menschen lebensnotwendig. Amerikanische Mediziner haben festgestellt, dass die Freude nicht nur der Seele, sondern auch dem Körper gut tut, dass sie die Bedingung dafür sein kann, dass Krankheiten weniger auftreten und schneller heilen. Die wohltuende Wirkung der Freude war schon den Weisen des Alten Testamentes bekannt. Die Wissenschaft versucht, diese heilsame Wirkung der Freude zu begründen. Freude ist eine gehobene Emotion, sagt die Psychologin Verena Käst. Sie bringt etwas in unserer Seele und in unserem Leib in Bewegung. Sie entspannt den Leib und erhöht dadurch seine Widerstandskraft.
Es gibt nichts Schöneres.
Und kaum etwas Gesünderes.
AUFGEHELLT
„Eine einzige Freude vertreibt hundert Betrübnisse.“ (Chinesisches Sprichwort)
Die Freude ist wie ein Licht, das in der Finsternis angezündet wird.
Auch wenn die Kerze nur ganz klein ist, vertreibt sie die Dunkelheit eines Raumes. Der Raum bekommt eine andere Atmosphäre. Das kleine Licht leuchtet mitten in der Finsternis und vertreibt sie. Die Kerze hellt den Raum noch nicht so auf, dass man darin lesen kann. Aber ein Raum, in dem eine Kerze brennt, ist nicht mehr dunkel. Genauso - meint das chinesische Sprichwort - kann eine kleine Freude die getrübte Stimmung, die die Seele des Menschen verdunkelt, vertreiben.
Die Freude hellt die trübe Stimmung auf. Sie ist wie ein Keil, der in die Mauer der Betrübnisse geschlagen wird. Der Keil bricht die Mauer entzwei. Es entsteht eine Lücke, durch die das Leben wieder eindringen kann in den Menschen.
LERNE TANZEN
„Lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen“, das sagt Augustinus.
Für Augustinus ist nicht in erster Linie die Erfüllung der Gebote die Voraussetzung, dass wir in den Himmel kommen und uns dort für immer der Gegenwart Gottes erfreuen können. Vielmehr ist für ihn die Lebendigkeit, die wir hier entwickeln, entscheidend, dass wir auch im Himmel ewiges Leben erfahren. Das Tanzen ist Zeichen dieser Lebendigkeit.
Im Tanzen vergesse ich mich selbst. Da bin ich ganz in meinem Körper.
Da spüre ich mich in die Freude am eigenen Körper hinein. Im Tanz drücke ich die Sehnsucht nach Freiheit, nach Geborgenheit, nach göttlicher Schönheit aus.
Die Engel kann sich Augustinus nur als tanzende
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