Das Buch der Schatten 1 - Verwandlung
mir ganz und gar nicht so vor. Zur Linken waren meilenweit Maisfelder, die hoch standen und auf die Ernte warteten. Zur Rechten war ein breiter Streifen ungemähter Wiese, begrenzt von dichtem Wald, der in einem großen, gezackten V zurück in die Stadt führte.
»Hier steht, man soll unter diesem Baum parken«, beharrte Bree. »Jetzt mach schon.«
Ich lenkte Das Boot vom Straßenrand und hielt unter einer riesigen Weideneiche. Da sah ich, dass das
Mondlicht mindestens sieben andere Autos beschien, die von der Straße aus nicht zu sehen gewesen waren.
Robbies unverwechselbarer roter VW Beetle hockte wie ein riesiger Marienkäfer schimmernd unter dem Baum, und ich entdeckte Matt Adlers weißen Pick-up, Sharons Geländelimousine und den Kombi von Tamaras Vater, ordentlich daneben geparkt. In einem unordentlichen Kreis darum herum standen Raven Meltzers ramponiertes schwarzes Wrack, ein goldener Explorer, der Cal gehörte, und ein grüner Minivan, mit dem vermutlich Beth Nielson, Ravens beste Freundin, hergekommen war. Es war niemand zu sehen, doch durch das hohe trockene Gras führte eine Art Trampelpfad in Richtung Wald.
»Wir sollen vermutlich da lang.« Bree klang ungewöhnlich unsicher. Ich war froh, dass sie bei mir war und nicht bei Chris. Wenn ich allein gekommen wäre, hätte ich womöglich nicht den Nerv gehabt, aus dem Auto zu steigen.
Wir folgten der zerdrückten Spur durch das Gras. Eine kühle Abendbrise strich mir durchs Haar. Am Waldrand zeigte Bree schließlich auf etwas. In dem dunklen Wald konnte ich kaum das blasse Schimmern ihres Fingers erkennen. Doch als ich nach vorn schaute, sah ich es: eine kleine Lichtung und schattenhafte Gestalten, die um ein niedriges Feuer in einem Kreis aus Steinen standen. Ich hörte leises Lachen und
roch den köstlichen Holzrauch, der durch die frische Luft zog. Plötzlich schien eine Freiluftparty gar keine so schlechte Idee mehr zu sein.
Wir bewegten uns vorsichtig durch den Wald auf das Feuer zu. Ich hörte, wie Bree leise fluchte – ihre Sandalen mit den klobigen Plateausohlen waren für nächtliche Wanderungen durch den Wald nicht besonders gut geeignet. Meine robusteren Schuhe dagegen zertraten fröhlich Zweige unter ihren Sohlen. Hinter uns hörte ich ein Krachen und fuhr zusammen, dann sah ich, dass es Ethan Sharp und Alessandra Spotford waren, die durch den Wald hinter uns her taumelten.
»Pass doch auf!«, zischte Alessandra Ethan zu. »Der Ast hat mich direkt im Auge getroffen.«
Bree und ich traten auf die Lichtung. Ich sah Tamara und Robbie und sogar Ben Reggio aus meinem Lateinkurs. Ich ging rüber zu den dreien, und Bree trennte sich von mir, um sich zu Sharon, Suzanne, Jenna und Matt zu gesellen. Der Feuerschein warf ein weiches goldenes Glühen auf unsere Gesichter und die Mädchen sahen hübscher aus als sonst und die Jungen älter und geheimnisvoll.
»Wo ist Cal?«, fragte Bree, und Chris Holly, der neben einer Kühltasche gehockt hatte, richtete sich auf, ein Bier in der Hand.
»Warum willst du das wissen?«, fragte er unwirsch.
Sie fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Er hat uns immerhin hierher eingeladen.«
Cal tauchte fast lautlos vom Rand der Lichtung auf. Er trug einen großen Weidenkorb, den er neben dem Feuer abstellte. »Hi«, sagte er, sah uns an und lächelte. »Danke, dass ihr gekommen seid. Ich hoffe, das Feuer hält euch warm.«
Ich stellte mir vor, wie ich mich an ihn schmiegte, wie er mir den Arm um die Schulter legte, wie die Hitze seiner Haut langsam durch meine Fleecejacke drang. Ich blinzelte rasch und das Bild verschwand.
»Ich habe etwas zu essen und zu trinken mitgebracht«, sagte Cal, kniete sich hin und öffnete den Korb. »Hier ist Essen – Nüsse, Chips und Maisbrot. In den Kühltaschen sind Getränke.«
»Ich hätte Wein mitbringen sollen«, sagte Bree, und ich war überrascht, sie direkt neben ihm stehen zu sehen. Cal lächelte sie an, und ich überlegte, ob er sie wohl hübsch fand.
Die nächste halbe Stunde standen oder hockten wir um das Feuer und unterhielten uns, vielleicht zwanzig Leute insgesamt. Für die, die kein Bier wollten – und zu denen gehörte ich –, hatte Cal köstlichen, mit Zimt gewürzten Apfelwein mitgebracht.
Chris hatte sich neben Bree gesetzt und ihr den Arm um die Schultern gelegt. Sie sah ihn nicht an, warf mir aber hin und wieder einen genervten Blick zu. Tamara,
Ben und ich saßen so, dass sich unsere Knie berührten. Mein einer Arm war mir fast zu warm vom Feuer,
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