Das Buch der Schatten 2
hatte.
Nun drehte er sich um und ich schnappte beinahe nach Luft. Wenn Sky Tag war, dann war Hunter Sonnenschein. Sein Haar war blassgolden und er hatte eine zarte, blasse Haut mit einigen Sommersprossen auf Wangen und Nase. Seine Augen waren grün, ganz klar, ohne Spuren von Blau, Braun oder Grau darin. Er sah unglaublich gut aus, bei seinem Anblick drehte sich mir schier der Magen um. Wie Sky hasste ich ihn vom ersten Augenblick, auf primitive, unerklärliche Weise.
»Ja, ich kenne Hunter«, sagte Cal geradeheraus, ohne ihm die Hand zu reichen.
»Cal«, sagte Hunter. Er begegnete Cals Blick und wandte sich dann mir zu. Ich lächelte nicht. »Und du bist?«
Ich sagte nichts.
»Morgan Rowlands«, erklärte Sky. »Cals Freundin. Morgan, das ist Hunter Niall.«
Ich sagte immer noch nichts, und Hunter bedachte mich mit einem durchdringenden Blick, als wollte er bis zu meinen Eingeweiden sehen. Es erinnerte mich daran, wie Selene Belltower mich beim ersten Mal angesehen hatte, doch es tat nicht weh. Es weckte in mir nur den starken Wunsch, mich von diesen Leuten zu entfernen. Ich war innerlich ganz hohl und zittrig, und ich wollte plötzlich unbedingt zurück in die Küche,
wollte ein ganz normales Mädchen sein, das an einem Freitagabend mit seinen Freunden ins Kino ging.
»Hallo, Morgan«, sagte Hunter schließlich. Mir fiel auf, dass auch er Engländer war.
»Cal«, sagte ich und hatte Mühe, nicht zu würgen, »wir müssen gehen. Der Film.« Es stimmte nicht – wir hatten noch fast eine halbe Stunde, bevor wir fahren mussten –, aber das hier ertrug ich keine Minute länger.
»Ja«, sagte er und sah mich an. »Ja.« Er richtete den Blick wieder auf Sky. »Habt einen schönen Kreis.«
»Werden wir«, sagte sie.
Am liebsten wäre ich rausgerannt. Vor meinem geistigen Auge sah ich Sky und Cal, die eng umschlungen auf seinem Bett lagen und sich küssten. Ich fand es schrecklich, dass ich so eifersüchtig war. Ich wusste doch genau, wie destruktiv Eifersucht sein konnte. Aber ich konnte nicht anders.
»Cal?«, fragte Selene, als wir schon fast an der Tür waren. »Hast du mal eine Minute?«
Er nickte und drückte meine Hand. »Ich komme gleich nach«, sagte er und ging zu seiner Mutter. Ich ging weiter, durch die Tür und den Gang entlang bis in die Eingangshalle. Mir war heiß und feuchtkalt, und ich hatte das Gefühl, Jenna, Matt, Sharon und Ethan noch nicht gegenübertreten zu können. In dem Flur neben der Eingangshalle befand sich eine Toilette, und dort schloss ich mich ein, spritzte mir mehrere Male kaltes
Wasser ins Gesicht, hielt die hohlen Hände unter den Wasserhahn und trank einen Schluck.
Was war bloß los mit mir? Langsam beruhigte sich mein Atem und trotz der blassen blauen Flecken sah mein Gesicht irgendwann wieder ziemlich normal aus. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie so stark auf jemanden reagiert. Seit Cal nach Widow’s Vale gekommen war, hatte mein Leben ein paar gewaltige, schwungvolle Wendungen genommen.
Schließlich fühlte ich mich dazu bereit, zurück zu den anderen zu gehen. Ich öffnete die Tür und ging den Flur hinunter zur Küche.
Doch dann kribbelte meine Haut. Einen Augenblick später hörte ich Stimmen, leises Gemurmel. Es waren unverkennbar Sky und Hunter. Und sie kamen auf mich zu.
Ich lehnte mich an die Wand und versuchte, mit der Holzvertäfelung zu verschmelzen, und plötzlich hörte ich ein Klicken und stolperte nach hinten. Ich ruderte mit den Armen und konnte gerade noch verhindern, dass ich stürzte, doch mir blieb staunend der Mund offen stehen, als ich begriff, dass dies hier eine Geheimtür war.
Die Stimmen kamen immer näher, und so schob ich mich, ohne lange zu überlegen, weiter ins Zimmer hinein und schloss mit einem leisen Klicken die Tür. Mit wild hämmerndem Herzen lehnte ich mich dagegen
und lauschte, als die Stimmen an der Tür vorbeigingen. Obwohl ich mich konzentrierte, konnte ich nicht verstehen, was sie sagten. Warum hatten Sky und Hunter so eine Wirkung auf mich? Warum erfüllten sie mich mit Angst und Schrecken?
Sie entfernten sich immer weiter, ihre Stimmen wurden leiser und Stille erfüllte meine Ohren.
Ich blinzelte und sah mich um. Von außen war mir die Tür nicht aufgefallen, doch von innen war sie deutlich umrissen und ein kleiner eingelassener Riegel verriet mir, wie ich wieder hinauskam.
Es war ein Arbeitszimmer, Selenes Arbeitszimmer, wie ich auf den ersten Blick sah. Vor einem Fenster stand ein großer Bibliothekstisch,
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