Das Buch der Toten
und, John? Wenn Walt Obey auch nur halb so rechtschaffen ist, wie Sie behaupten, dann mag er Sie, weil er der festen Überzeugung ist, dass Sie ein wahrer Chorknabe sind. Und da kommt plötzlich Schwinn aus der Versenkung, stiftet Unruhe, zieht Ihren Namen in den Dreck und bedroht so Ihren feuchten Traum vom fetten Aufsichtsratsposten. Also muss er auch abtreten. Es ist wie Bowling, nicht wahr, nur mit Menschen anstelle von Kegeln. Man stellt sie auf, und dann haut man sie um.«
»Nein«, erwiderte Broussard. »Ich hatte Craig losgeschickt; er sollte mit Schwinn reden. Um herauszufinden, was Schwinn im Einzelnen wusste. Warum sollte ich ihn umbringen? Er hätte mir nützlich sein können. Als er tot war, konnte ich mich nur noch an Sie halten.«
»Ein epileptischer Anfall.«
Broussard nickte. »Craig fuhr zu Schwinns Ranch. Er sah Schwinn zum Tor hinausreiten und folgte ihm. Es kam zu…, es kam zu einem Kontakt; Craig stellte sich ihm vor, und Schwinn reagierte feindselig. Er hätte sich gewünscht, dass ich ihn persönlich aufgesucht hätte, anstatt einen Vertreter zu schicken. Der Mann war einfach unverschämt. Craig versuchte, ihn zu beschwichtigen und die Fakten über den Fall aus ihm herauszubekommen. Schwinn bestritt, dass er irgendetwas mit dem Album zu tun hatte, und dann fing er an, von DNA- Analysen zu faseln, dass man nur Spermaproben besorgen müsste, dann wäre der Fall über Nacht gelöst.«
»Bloß, dass es gar keine Proben gab«, sagte Milo. »Alles war vernichtet worden. Es wird Schwinn gefreut haben, das zu hören.«
»Er reagierte vollkommen irrational, versuchte, Craig aus dem Sattel heraus zu attackieren, aber das Pferd machte nicht mit. Craig gab sich alle Mühe, Schwinn zu beruhigen, aber Schwinn machte Anstalten abzusitzen, und plötzlich verdrehte er die Augen und begann zu zucken, und Speichel lief ihm aus dem Mund. Das Pferd muss in Panik geraten sein und hat den Halt verloren. Es stürzte in die Schlucht, Schwinn hing noch mit einem Fuß im Steigbügel, wurde mitgerissen und schlug mit dem Kopf auf einen Felsen auf. Craig lief hin, um ihm zu helfen, aber es war zu spät.«
»Also ist Craig einfach gegangen.« Broussard gab keine Antwort.
»Großartige Geschichte«, sagte Milo. »Vergessen Sie doch die ganzen Bauprojekte. Schreiben Sie lieber ein Drehbuch.«
»Das werde ich vielleicht tun«, sagte Broussard. »Eines Tages, wenn die Wunden ein wenig verheilt sind.«
»Welche Wunden?«
»Das alles schmerzt mich sehr. Nichts davon ist mir leicht gefallen.«
Broussards linke Wange zuckte. Er seufzte, in seinen edlen Gefühlen verletzt. Milo schlug zu.
48
Der Schlag traf den Polizeichef exakt auf die Nase und streckte ihn rückwärts zu Boden.
Broussard saß im Staub vor Janies Grab. Das Blut strömte aus seinen Nasenlöchern, rann in dünnen, karminroten Bahnen über sein italienisches Hemd und seine prächtige goldfarbene Krawatte und verfärbte sich rostrot, als es die marineblauen Nadels treifen seines maßgeschneiderten Revers erreichte.
»Nur gut, dass meine Nase vorher schon so breit war«, sagte er.
Er lächelte, griff nach dem Seidentüchlein in seiner Brusttasche und wischte sich das Blut aus dem Gesicht. Machte keine Anstalten, sich zu erheben.
»Sie sind unreif, Detective. Das ist und war schon immer Ihr Problem. Sie reduzieren alles auf ein krudes Schwarz-Weiß-Schema wie ein Kind. Vielleicht hat das ja mit Ihrem anderen Problem zu tun. Eine generelle Entwicklungshemmung.«
»Reife ist eine stark überschätzte Eigenschaft«, erwiderte Milo. »Reife Menschen handeln so wie Sie.«
»Ich überlebe«, sagte Broussard. »Mein Großvater hat nie lesen gelernt. Mein Vater ist aufs College gegangen und hat anschließend Musik studiert, klassische Posaune, aber er hat keine Anstellung bekommen, also musste er sein ganzes Leben als Pförtner im Ambassador Hotel arbeiten. Ihr Problem lässt sich verheimlichen. Sie wurden mit unbegrenzten Möglichkeiten geboren, also ersparen Sie mir Ihre scheinheiligen Moralpredigten. Und kommen Sie ja nicht auf die Idee, mich noch einmal zu schlagen. Sobald Sie die Hand gegen mich erheben, werde ich Sie erschießen und eine plausible Geschichte erfinden, um meine Tat zu rechtfertigen.«
Er klopfte mit der flachen Hand auf seine linke Hüfte, sodass die bisher verborgene Wölbung unter dem edlen Tuch sichtbar wurde.
Nur ein paar unauffällige Zentimeter, eingefügt von geschickten Schneiderhänden.
»Sie könnten mich auch einfach so
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