Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
entstanden ist. Alles ist nichts, unser Schmerz inbegriffen.
Ich schreibe dies unter dem Zwang eines Überdrusses, der nicht Platz findet in mir und mehr Raum braucht als meine Seele; unter dem Zwang von allen und allem, das mich würgt und verwirrt; unter dem körperlichen Gefühl, mißverstanden zu werden, das mich verstört und vernichtet. Doch ich hebe mein Haupt zum fernen Blau des Himmels, halte mein Gesicht in den unbewußt frischen Wind, senke die Lider, nachdem ich gesehen, vergesse mein Gesicht, nachdem ich gespürt habe. Mir ist nicht besser, aber anders. Mich zu sehen, befreit mich von mir. Ich könnte beinahe lächeln, nicht, weil ich mich verstünde, sondern weil ich, ein anderer geworden, mich nicht mehr verstehen kann. Am hohen Himmel steht, wie ein sichtbares Nichts, eine winzige Wolke, ein weißes Vergessen des ganzen Universums.
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Meine Träume: Da ich mir im Traum Freunde erschaffe, bin ich folglich mit ihnen zusammen. Ihre Unzulänglichkeit ist eine Sache für sich.
Rein sein, nicht um edel oder stark, sondern um man selber zu sein. Liebe geben heißt Liebe verlieren.
Dem Leben entsagen, um sich nicht selbst zu entsagen.
Frauen – eine gute Quelle für Träume. Berühre sie nie.
Lerne zu unterscheiden zwischen dem Gedanken an Sinneslust und dem Gedanken an Vergnügen. Lerne, dich an allem nicht um seiner selbst willen zu erfreuen, sondern um der Gedanken und Träume willen, die es hervorruft. (Denn nichts ist, was es ist, die Träume aber sind immer Träume.) Daher berühre nichts, was du bewahren willst. Berührst du deinen Traum, stirbt er; das berührte Objekt hält deine Empfindungsfähigkeit gefangen.
An Edlem hält das Leben für uns einzig das Sehen und das Hören bereit. Alle übrigen Sinne sind plebejisch und fleischlich. Einzig das Nie-Berühren ist aristokratisch. Nicht nahekommen – das zeichnet den Edelmann aus.
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Ästhetik der Gleichgültigkeit
Der Träumer sollte versuchen, jedem Ding gegenüber jene unmißverständliche Gleichgültigkeit zu empfinden, die dieses Ding in seiner Eigenschaft als Ding bei ihm hervorruft.
Jedem Gegenstand oder Ereignis spontan alles Träumbare entnehmen und alles, was an ihm wirklich ist, als tote Materie in der äußeren Welt zurücklassen, diese Fähigkeit sollte der Weise in sich zu erlangen suchen.
Niemals aufrichtig seine eigenen Gefühle empfinden und seinen blassen Triumph in einer Weise erleben, daß man die eigenen Ambitionen, Sehnsüchte und Wünsche gleichmütig betrachtet; seine Freuden und Ängste durchleben wie etwas, das ohne Belang ist.
Die größte Selbstbeherrschung ist die Gleichgültigkeit gegen sich selbst und Körper und Seele als Haus, Grund und Boden zu betrachten, als vom Schicksal für uns bestimmten Lebensraum. Den eigenen Träumen und heimlichen Wünschen mit Hochmut begegnen wie ein Grandseigneur, sie höflich und taktvoll ignorieren. Es nicht an Anstand fehlen lassen in unserer eigenen Gegenwart; darauf achten, daß wir nie ganz allein, sondern stets Zeugen unserer selbst sind und daher vor uns selbst handeln sollten wie vor einem Fremden – mit gekonnt heiterem Gehabe, gleichgültig, weil vornehm, kühl, weil gleichgültig.
Um nicht in unserem eigenen Ansehen zu sinken, genügt es, uns von Passionen und Ambitionen zu verabschieden, von Wünschen und Hoffnungen, Zwängen und innerer Unruhe. Es genügt, sich immer wieder bewußt zu machen, daß wir uns allzeit in unserer eigenen Gegenwart befinden und nie so allein sind, als daß wir uns gänzlich gehenlassen könnten. Dessen eingedenk, werden wir unsere Passionen und Ambitionen einzudämmen vermögen, denn Passionen und Ambitionen machen verwundbar; wir werden weder Wünsche noch Hoffnungen hegen, denn Wünsche und Hoffnungen sind niedrig und unfein; wir werden auch keinem Zwang und keiner inneren Unruhe nachgeben, denn übereiltes Tun ist in den Augen anderer eine Taktlosigkeit und Ungeduld immer ein Unding.
Ein Aristokrat ist, wer nie vergißt, daß er niemals allein ist; daher sind Etikette und Schicklichkeit Erbteil der aristokratischen Familien. Verinnerlichen wir den Aristokraten. Entreißen wir ihn den Salons und Gärten und versetzen ihn in unsere Seele und das Bewußtsein von unserer Existenz. Seien wir zu uns immer, wie Etikette und Schicklichkeit es verlangen, kontrolliert und das Äußere stets im Auge.
Jeder von uns stellt eine Gemeinschaft dar, ein Stadtviertel des Mysteriums, daher sollten wir das Leben dieses Stadtviertels
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