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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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durchaus mit dieser Theorie anfreunden, wäre ich davon zu überzeugen, daß sie nicht ist, was sie ist, nämlich ein aufwendiger Lärm, den ich vor den Ohren meines Verstandes veranstalte, damit er gewissermaßen nicht merkt, daß der Grund für all dies meine Scheu und meine Lebensunfähigkeit ist.

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    Ästhetik des Künstlichen
    Das Leben schadet dem Ausdruck des Lebens. Erlebte ich eine große Liebe, ich könnte nie von ihr sprechen.
    Nicht einmal ich weiß, ob dieses Ich, das ich auf diesen mäandernden Seiten vor Ihnen ausbreite, wirklich existiert oder nur eine ästhetische und zudem falsche Vorstellung von mir selbst ist. Ja, dem ist so. Ich erlebe mich ästhetisch in einem Anderen. Ich habe mein Leben gestaltet wie eine Statue aus einem meinem Sein fremden Stoff. Ich habe mich so sehr außerhalb meiner selbst gestellt, und mein Selbst-Bewußtsein ist mir so sehr zur Kunst geraten, daß ich mich bisweilen selbst nicht erkenne. Wer bin ich hinter dieser Unwirklichkeit? Ich weiß es nicht. Irgend jemand werde ich wohl sein. Und wenn ich nicht zu leben suche, zu handeln, zu fühlen, geschieht dies – glauben Sie mir –, um das bereits fertige Profil meiner mutmaßlichen Persönlichkeit nicht zu verfälschen. Ich will der sein, der ich sein wollte und nicht bin. Gäbe ich dem Leben nach, wäre das Selbstzerstörung. Ich will ein Kunstwerk sein, zumindest in meiner Seele, wenn ich es schon nicht in meinem Körper sein kann. Daher habe ich mich in Stille und Entfremdung gestaltet und mich in ein Treibhaus gestellt, geschützt vor frischer Luft und direktem Licht – dort kann meine Künstlichkeit, wie eine absurde Blume, in ferner Schönheit erblühen.

    Bisweilen denke ich, wie schön es wäre, könnte ich meine Träume miteinander verbinden und mir auf diese Weise ein immerwährendes Leben erschaffen, ein Leben aus Tagen mit imaginären Tischgenossen und frei erfundenen Menschen, und könnte ich dieses falsche Leben leben, erleiden und genießen. Unglück widerführe mir, und großes Glück bräche über mich herein. Und nichts an mir wäre wirklich. Doch alles hätte seine erhabene Logik; alles gehorchte einem Rhythmus wonnevoller Falschheit, geschähe in einer Stadt, aus meiner Seele erbaut, irgendwo [am] Bahnsteig neben einem stillstehenden Zug, fern in mir, unendlich fern … Und all dies deutlich, unvermeidbar, wie im äußeren Leben, doch von der Ästhetik einer sterbenden Sonne.

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    Unser Leben so gestalten, daß es für andere ein Geheimnis bleibt, daß, wer uns besser kennt, uns nur aus größerer Nähe verkennt als andere. So habe ich mein Leben gestaltet, fast ohne daran zu denken, aber mit einem so kunstvollen Gespür, daß ich selbst mir zu einem alles andere als klar erkennbaren Einzelwesen geworden bin.

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    Schreiben heißt vergessen. Die Literatur ist die angenehmste Art, das Leben zu ignorieren. Die Musik wiegt ein, die visuellen Künste beleben, die lebendigen Künste (wie Tanz und Theater) unterhalten. Die Literatur jedoch entfernt sich vom Leben, weil sie das Leben zum Schlaf macht; alle übrigen Künste hingegen bleiben im Leben – die einen, weil sie sich sichtbarer und mithin vitaler Formen bedienen, die anderen, weil sie vom menschlichen Leben leben.
    Nicht aber die Literatur. Sie täuscht das Leben vor. Ein Roman ist die Geschichte dessen, was nie war, und ein Drama ein Roman ohne Geschichte. Ein Gedicht ist der Ausdruck von Ideen oder Gefühlen in einer Sprache, die niemand gebraucht, denn niemand spricht in Versen.

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    27 .  7 .  1930
    Die meisten Leute leiden an dem Unvermögen, zu sagen, was sie sehen und denken. Es heißt, nichts sei schwieriger als eine Spirale mit Worten zu definieren. Dazu, heißt es wiederum, müsse man in der Luft mit der Hand und ohne Literatur eine stetig aufwärts drehende Bewegung beschreiben, durch die sich jene Sprungfedern und manchen Treppen eigene Form dem Auge darstellt. Doch sobald wir uns vergegenwärtigen, daß sagen erneuern heißt, ist es uns ein leichtes, eine Spirale zu definieren: sie ist ein aufsteigender, sich nie schließender Kreis. Ich weiß wohl, die meisten Leute würden eine solche Definition nie wagen, da sie annehmen, definieren hieße sagen, was andere wollen, daß man sagt, und nicht, was man sagen sollte, um zu definieren. Genauer gesagt: Eine Spirale ist ein virtueller Kreis, der sich aufsteigend fortsetzt, ohne je Kreis zu werden. Aber nein, auch diese Definition ist noch immer abstrakt: Ich werde mich des

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