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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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sein, als er ist. Seine Wirklichkeit verleidet ihm das Fühlen.

172
    Der steile Weg führt zur Mühle, doch die Anstrengung führt zu nichts.

    Es war ein Nachmittag zu Beginn des Herbstes, wenn der Himmel eine verblichene kalte Wärme ausstrahlt und die Wolken das Licht in Decken aus Langsamkeit dämpfen.

    Zwei Dinge nur gab mir das Schicksal: ein paar Kontenbücher und die Gabe zu träumen.

173
    Der Traum ist das übelste aller Rauschmittel, denn er ist das natürlichste von allen. Er schleicht sich leichter in unsere Gewohnheiten als jede andere Droge, man kostet ihn wie ein verabreichtes Gift, ohne es zu wollen. Er tut nicht weh, macht weder bleich noch matt – doch die Seele, die sich seiner bedient, wird unheilbar krank, kommt ohne dieses Gift nicht mehr aus, da sie selbst, die Seele, es ist.
    Wie ein Schauspiel im Nebel […]
    Ich habe in meinen Träumen gelernt, die Fassaden […] des Alltäglichen mit Bildern zu krönen, das Gewöhnliche ungewöhnlich auszudrücken, das Einfache umständlich, tote Ecken und Möbel mit einer künstlichen Sonne zu vergolden und die dahinfließenden Sätze, in denen ich mich beschreibe, Musik werden zu lassen, wie um mich einzuwiegen.

174
    2 .  7 .  1931
    Nach einer schlecht geschlafenen Nacht kann uns niemand recht ausstehen. Der flüchtige Schlaf hat etwas von unserer Menschlichkeit mit sich genommen. Eine latente Gereiztheit scheint sogar in der uns umgebenden leblosen Luft zu liegen. Letztlich sind wir selbst es, die nicht mit uns einverstanden sind und zwischen uns die stille Schlacht der Diplomatie austragen.
    Heute habe ich meine Füße und meine Erschöpfung durch die Straßen geschleppt. Meine Seele ist zu einem wirren Knäuel geschrumpft, und was ich bin und war, mein Ich, hat seinen Namen vergessen. Sollte es für mich ein Morgen geben, so weiß ich nur, daß ich nicht geschlafen habe, und das Durcheinander verschiedener Zeitspannen erlegt meiner inneren Rede tiefes Schweigen auf.
    Ach, ihr großen Parkanlagen der anderen, ihr Gärten für so viele Benutzer, ihr wundervollen Alleen all derer, die nie Notiz von mir nehmen werden! Ich lebe dahin zwischen durchwachten Nächten wie einer, der es nie gewagt hat, überflüssig zu sein, und das, worüber ich nachdenke, schrickt mit einem abschließenden Traum aus dem Schlaf.
    Ich bin ein verwaistes, klösterliches Haus, verschattet von scheu huschenden Gespenstern. Und stets bin ich im Zimmer nebenan, es sei denn, sie sind dort, und um mich her das große Rauschen der Bäume. Ich träume und finde; ich finde, weil ich träume. Meine Kindertage! Sogar ihr tragt eine Spielschürze!
    Und bei alledem gehe ich durch die Straßen, schläfrig, ein vagabundierendes Blatt. Ein langsamer Wind hat mich vom Boden gefegt, und ich irre wie das Ende einer Dämmerung zwischen dem Geschehen in der Landschaft einher. Die Schwere meiner Augenlider geht über auf meine schlurfenden Füße. Ich möchte schlafen, weil ich gehe. Mein Mund ist geschlossen, als seien meine Lippen versiegelt. Mein Umherschweifen kommt einem Schiffbruch gleich.
    Ja, ich habe nicht geschlafen, aber ich bin mir meiner gewisser, wenn ich weder geschlafen habe noch schlafe. Ich bin wirklich ich in dieser zufälligen und symbolischen Ewigkeit des halbseelischen Zustands, in dem ich mich täusche. Der eine oder andere Passant schaut mich an, als kenne er mich, aber scheint befremdet. Ich fühle, daß ich sie gleichfalls ansehe aus Augenhöhlen, die ich unter meinen Lidern spüre, aber ich will nichts wissen von der Welt.
    Ich bin müde, so müde, todmüde.

175
    Als die Generation geboren wurde, der ich angehöre, fand sie eine Welt vor, die Leuten mit Herz und Hirn keine Stütze bot. Die zerstörerische Arbeit der vorangegangenen Generation hatte bewirkt, daß die Welt, in die wir hineingeboren wurden, uns keinerlei Sicherheit in religiöser Hinsicht, keinerlei Halt in moralischer Hinsicht und keinerlei Ruhe in politischer Hinsicht bieten konnte. Wir wurden in metaphysische Angst, in moralische Angst, in politische Unruhe hineingeboren. Trunken von äußerlichen Formeln, von den bloßen Verfahren der Vernunft und der Wissenschaft hatten die Generationen vor uns alle Fundamente des christlichen Glaubens unterhöhlt, weil ihre Bibelkritik, die von der Kritik an den Texten zur Kritik der Mythologie des Christentums übergegangen war, die Evangelien und die vorangegangene jüdische Hierographie auf eine ungewisse Ansammlung von Mythen, Legenden und bloßer Literatur

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