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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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verbunden wären – all das lastet auf uns wie eine Strafe, von der niemand weiß, von wem oder warum sie über uns verhängt wurde.
    Hat man all dies gefühlt, bleibt unweigerlich ein Mißfallen am Leben und all seinen Äußerungen, ein vorweggenommenes Überdrüssigsein aller Wünsche, ein namenloses Mißfallen an allen Gefühlen. In diesen Stunden subtilen Kummers wird es uns unmöglich, selbst im Traum, Liebhaber, Held oder glücklich zu sein. All das ist leer, sogar in unserer Vorstellung von dem, was es ist. All das wird in einer anderen, für uns unverständlichen Sprache gesagt, uns rätselhaft klingenden Silben. Das Leben ist hohl, die Seele ist hohl, die Welt ist hohl. Alle Götter sterben eines Todes, größer als der Tod. Alles ist leerer als die Leere. Alles ist ein Chaos inexistenter Dinge.
    Wenn ich dies bedenke und mich umblicke, um zu sehen, ob die Wirklichkeit meinen Durst löschen kann, sehe ich ausdruckslose Häuser, ausdruckslose Gesichter und ausdruckslose Gesten. Steine, Körper und Ideen – alles tot. Alle Bewegungen sind Stillstand. Nichts sagt mir etwas. Nichts ist mir vertraut, nicht weil ich es befremdlich fände, sondern weil ich nicht weiß, was es ist. Die Welt ist mir abhanden gekommen. Und auf dem Grund meiner Seele liegt – als einzige Wirklichkeit dieses Augenblicks – ein tiefer, unsichtbarer Kummer, traurig wie ein Weinen in einem dunklen Zimmer.

197
    Ich empfinde die Zeit als etwas überaus Schmerzliches. Was auch immer ich verlasse, ich verlasse es mit übertriebener Rührung: Das ärmliche Zimmer, in dem ich einige Monate zur Miete wohnte, den Tisch eines Hotels auf dem Land, in dem ich sechs Tage verbrachte, sogar den traurigen Wartesaal des Bahnhofs, in dem ich zwei Stunden mit Warten auf den Zug vertat – ja, so ist es, und die schönen Dinge des Lebens schmerzen mich metaphysisch, muß ich sie verlassen, und meine Nerven sagen mir mit all ihrer Sensibilität, daß ich diese Dinge nie wiedersehen, nie wieder haben werde, zumindest nicht in genau diesem Augenblick. In meiner Seele tut sich ein Abgrund auf, und ein kalter Hauch der Stunde Gottes streift mein bleiches Gesicht.
    Zeit! Vergangenheit! Da ist etwas – eine Stimme, ein Gesang, ein gelegentlicher Duft gibt in meiner Seele den Vorhang frei auf meine Erinnerungen … Das, was ich war und nie wieder sein werde! Das, was ich hatte und nie wieder haben werde! Die Toten! Die Verstorbenen, die mich in meiner Kindheit liebten. Wenn ich mich ihrer erinnere, fröstelt meine Seele, und ich fühle mich aus allen Herzen verbannt, allein in der Nacht meiner selbst, weinend wie ein Bettler vor dem geschlossenen Schweigen aller Türen.

198
    Ferienprosa
    Der kleine Strand, der eine noch kleinere, durch zwei Miniaturvorgebirge von der Welt abgeschnittene Bucht bildet, war an diesen drei Ferientagen mein Zufluchtsort vor mir selbst. Man stieg zu ihm über eine primitive Treppe hinab, Stufen, die oben aus Holz begannen, auf halber Höhe in den Fels geschlagen und mit einem Geländer aus rostigem Eisen versehen waren. Immer wenn ich die alte Treppe hinabstieg, insbesondere auf den Felsstufen unter meinen Füßen, verließ ich meine eigene Existenz und fand mich.
    Die Okkultisten, oder zumindest einige, sagen, daß es höchste Augenblicke der Seele gibt, in denen sie sich – mit Hilfe der Emotion oder einem Teil des Gedächtnisses – an einen Augenblick, ein Merkmal oder einen Schatten einer früheren Inkarnation erinnert. Und da sie dann zurückkehrt in eine Zeit, die dem Ursprung und Anfang aller Dinge näher ist als das Jetzt, empfindet sie sich in gewisser Weise kindhaft und befreit.
    Jedes Mal, wenn ich diese heute wenig benutzte Treppe hinabstieg und langsam den kleinen, stets einsamen Strand betrat, hätte man meinen können, ich bediente mich eines magischen Rituals, um der Monade näher zu sein, die ich vielleicht bin. Bestimmte Formen und Merkmale meines Alltagslebens, die sich in meinem steten Wesen als Verlangen, Widerwille, Unruhe äußern, flohen mich wie Meuchler das Gesetz, verblaßten im Dunkel bis zur Unkenntlichkeit, und ich erreichte ein Stadium innerer Distanz, in dem es mir schwer wurde, mich an das Gestern zu erinnern oder gar das Wesen, das alle Tage in mir lebt, als das meine zu erkennen. Meine steten Gemütsbewegungen, meine stets unsteten Gewohnheiten, meine Gespräche mit anderen, meine Anpassung an das gesellschaftliche Gefüge der Welt – all dies erschien mir wie etwas irgendwo

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