Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
stach, als würde sie sich in ihre Haut ätzen. Tatsächlich brannte sie zehnmal schlimmer als Max’ Salzwasser, und Victoria konnte die Tränen nicht länger zurückhalten.
»Ich weiß, dass es unangenehm ist, Liebes, aber sie wird die Narbenbildung auf ein Minimum beschränken und den größten Teil, wenn nicht sogar alles Gift des Wächters unwirksam machen. Mit etwas Glück bleiben am Ende nur ein paar helle Flecken zurück. Und nachdem du auch noch den Vampir, der es getan hat, töten konntest, nun, da sollte es eigentlich keine schlimmen Nachwirkungen geben.«
Victoria widerstand dem Bedürfnis, Max anzusehen, der inzwischen drei weitere Seiten umgeblättert hatte. Er hatte seinen Kragen wieder zugeknöpft und sich die Krawatte umgebunden.
Doch sie erinnerte sich nur zu genau an die Narben an seinem Hals. Sie waren weitaus auffälliger als ein heller Fleck. Der Mann konnte von Glück reden, dass hohe, gestärkte Krägen in Mode waren.
Eustacia wandte sich ab, um sich die Hände zu waschen, während Kritanu vorsichtig ein Tuch um Victorias Hals wickelte, um die Heilpaste zu bedecken, die sich noch immer anfühlte, als würde sie sich in ihre Haut fressen. »Atmen Sie tief und langsam, ein und aus«, wies er sie leise an. »Ein und aus. Es wird helfen, den Schmerz zu lindern.«
Victoria tat, was er sagte, und tatsächlich ließ das Brennen nach.
»Du kannst heute Nacht hier schlafen«, sagte Eustacia nun. »Ich habe deiner Mutter eine Nachricht zu den Dunsteads geschickt, damit sie sich keine Sorgen macht. Ich werde ihr erzählen, dass ich dir selbst eine Kutsche gesandt habe, denn ich weiß, dass Melly völlig außer sich geraten würde, sollte sie je herausfinden, dass du allein mit Max gefahren bist.«
Sie ergriff Victorias Hände. »Du hast einen Wächtervampir gepfählt, während er dich biss. Falls ich irgendwelche Vorbehalte gehabt hätte, dich einen Venator zu nennen, Victoria Gardella Grantworth, so wären sie nun ausgeräumt. Aber in Wahrheit habe ich von Anfang an geahnt, dass du etwas Besonderes bist. Jetzt weiß ich, dass ich Recht hatte. Wenn es jemanden gibt, der Lilith aufhalten kann, dann du.«
Kapitel 5
In welchem Miss Grantworth eine unerwartete Verbündete gewinnt
G rundgütiger, Miss Victoria! Sie wurden ja von einem Vampir gebissen!« Verbena starrte mit aufgerissenen Augen in den Spiegel über Victorias Schulter. Mit ihrem runden Gesicht und dem rotblonden, widerspenstigen Kraushaar sah die Zofe aus wie ein Baby, das gerade aus dem Schlaf erwacht ist.
Noch bevor Victoria wusste, was sie darauf antworten sollte, geschweige denn verdauen konnte, dass ihre Zofe den Biss als solchen erkannt hatte, beugte Verbena sich nach unten, um ihn genauer in Augenschein zu nehmen. »Wie’s aussieht, scheint er aber ganz prima zu verheilen«, bemerkte sie mit einem weisen Nicken. »Sie haben gesalzenes Weihwasser draufgetan, was?«
»Verbena... wie...« Victoria rang um Fassung. »Du bist gar nicht entsetzt?«
»Nein, Miss Victoria. Bei all dem Tamtam um Kruzifixe, und dann die Pflöcke, die überall rumliegen, und überhaupt dieses Kreuz, das Sie da an Ihrem Bauch haben - na, ich wäre ja eine schöne Zofe, wenn ich all das übersehen würde. Ich warte schon seit einer ganzen Weile drauf, dass Sie mich fragen, wie Sie Knoblauch in Ihren Handschuhen verstecken können!«
»Das würde nicht gerade angenehm riechen«, erwiderte Victoria langsam. Sie wollte ihren Kopf schütteln, um ihn klar zu bekommen. Allerdings glaubte sie nicht, dass das helfen würde.
»Und außerdem hab ich mich gewundert, warum Sie nicht Ihr eigenes gesalzenes Weihwasser mit sich rumtragen. Und wie haben Sie es überhaupt fertig gebracht, gebissen zu werden? Ich hab immer gedacht, Venatoren könnten nicht gebissen werden.«
»Woher wusstest du, dass ich ein Venator bin?« Victoria war es leid, ihre Zofe durch den Spiegel anzusehen, deshalb drehte sie sich auf ihrem Stuhl zu ihr um.
Verbena tippte sich mit dem Finger in den Bauch. »Natürlich weil Sie das Zeichen tragen.«
»Woher weißt du von alledem? Von Vampiren und Venatoren?«
Victoria zuckte mit den Achseln. »Wer weiß nicht davon? Die Vampire meine ich. Die meisten Leute wissen Bescheid, sie wollen nur lieber nicht glauben, dass es sie wirklich gibt. Bis sie gebissen werden; dann glauben sie dran - aber da ist es meistens schon zu spät. Jedermann weiß, dass man ihnen einen Holzpflock ins Herz rammen muss, und auch das mit den Kruzifixen und dem
Weitere Kostenlose Bücher