Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
sanften Unterton in der Stimme, wie er Max noch in keinem Gespräch mit
ihr zuteil geworden war. »Ich muss mich für mein Verschwinden entschuldigen, aber mehr noch bedauere ich, an das Bett meiner Großtante gerufen worden zu sein. Sie ist erneut krank geworden.«
Rockley - das war also sein Name - sah wieder Max an, dann zurück zu Victoria. »Ich verstehe. Tja, Miss Grantworth, und ich bedauere, dass ich Ihren Durst heute Abend nicht habe stillen können. Gute Nacht.«
»Lord Rockley, warten Sie.« Victoria löste sich von Max und griff nach dem Arm des Marquis. Er blieb stehen und sah sie an, und selbst aus Max’ Blickwinkel wirkte er kühl und ungerührt, und das, obwohl ihn eine der fraglos schönsten Frauen im Saal aufzuhalten versuchte. »Darf ich Sie mit dem persönlichen Leibwächter meiner Tante bekannt machen, der gleichzeitig mein Cousin ist.« Max hörte den Nachdruck, mit dem sie das Wort aussprach. »Maximilian Pesaro. Er ist gekommen, um mich zu ihr zu bringen. Unverzüglich.«
Rockley zollte Max einen weiteren abschätzenden Blick, dann verneigte er sich knapp. »Phillip de Lacy, Marquis von Rockley, stets zu Ihren Diensten, Sir.«
Mit Max’ Geduld war es nun vorbei. Die Floskeln der feinen Gesellschaft und die Tändelei zwischen einer Debütantin und diesem adeligen Fatzke bedeuteten nichts im Gesamtgefüge der Dinge - genauer gesagt angesichts der Tatsache, dass Eustacia Gardellas geliebte Nichte in diesem Moment die Bissspuren eines Vampirs an ihrem Hals trug. »Sehr erfreut. Victoria, ich muss darauf bestehen, dass wir uns jetzt auf den Weg machen. Deine Tante ist ernstlich erkrankt.«
Zu seiner Überraschung ließ Victoria sich von ihm praktisch
hinter sich herziehen, und obwohl sie sich beeilen musste, um mit ihm Schritt zu halten, tat sie dies ohne großes Aufhebens.
»Sie scheinen keine Vorstellung davon zu haben, wie wenig Zeit uns bleibt, um die Situation zu bereinigen, in die Sie sich törichterweise selbst gebracht haben«, herrschte er sie an, als er sie in die Kutsche stieß, die auf seine Rückkehr gewartet hatte.
Umhang und Rocksäume hinter sich herschleifend stolperte Victoria hinein und verkroch sich sofort in der entlegensten Ecke. Aller zur Schau gestellten Tapferkeit, mit der sie ihm begegnet war, zum Trotz wirkte sie mehr als nur ein bisschen erschüttert über die Konsequenzen ihres Scheiterns. Doch sie erholte sich nur allzu schnell.
»Ich vermute, Sie werden ein paar hässliche Bemerkungen hinsichtlich meines Versagens machen wollen«, sagte sie, sobald sich die Kutsche in Bewegung setzte. »Mein Versagen als Venator. Dass ich von einem Vampir gebissen wurde. Sie müssen sich wirklich ins Fäustchen lachen.«
Max starrte sie von der gegenüberliegenden Sitzbank aus an. In einer Ecke hing eine kleine Laterne, deren schwaches Licht das Innere der Kutsche gerade genug erhellte, dass sie sah, wie seine Lippen schmal wurden.
Er zögerte nur einen Moment, dann griff er sich an den Hals, löste seine Krawatte aus ihrem perfekten Knoten, nahm sie ab und warf sie beiseite.
Victoria beobachtete verdutzt, wie er die Knöpfe an seinem Kragen öffnete und ihn weit dehnte, um seinen Hals zu entblö ßen. Er drehte den Kopf zur Seite, und sie erkannte die vier kleinen Narben eines Vampirbisses: zwei von den oberen Fangzähnen, zwei von den unteren.
Mit gelassenem Blick drehte er sich in die andere Richtung, um ihr diese Seite seines Halses zu zeigen. Jene, die noch nicht vollständig verheilt war.
»Das ist der Grund, warum ich eine Phiole mit gesalzenem Weihwasser bei mir trage.«
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und starrte zum Fenster hinaus.
Sie schloss den Mund und sagte nichts mehr.
Victoria kam nicht darüber hinweg, wie leicht sie der Verlockung des Vampirs erlegen war. Als seine Lippen ihren Hals berührt hatten, war sie plötzlich weich und schwankend geworden. Seine nadelspitzen Zähne hatten an ihr gespielt, hatten sanft über ihre Haut gekratzt, waren neckend, liebkosend über ihren Puls geglitten, während sie formbar und willenlos wie eine Wachspuppe in seinen Armen gelegen hatte.
Und dann, gerade als er die Eckzähne in ihr Fleisch geschlagen hatte, als die qualvolle Wonne über sie hinweg- und in sie hineingeströmt war, hatte sie den winzigen verbliebenen Rest ihres Bewusstseins konzentriert und die Finger um den Pflock geschlossen. Er hatte vor Ekstase gestöhnt, und sie hatte zugestoßen.
Fft!
Er hatte sich aufgelöst, und plötzlich war
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