Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
Stühlen saßen keine Opernfreunde, sondern Untote, die auf ihre eigene Darbietung warteten.
Victoria hatte aufgehört, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie nun wütend auf Sebastian sein sollte oder resigniert über sein Handeln und damit wütend auf sich selbst. Hatte sie
nicht stets gewusst, dass sie ihm nicht trauen durfte, selbst wenn sie sich gerade geliebt hatten? Hier waren sie nun, und es stellte sich nicht länger die Frage, wo er stand oder was ihm wichtig war.
Und Max... Welche Rolle spielte er bei alledem? Er hatte den Obelisken vernichtet, nur um sie anschließend zu zwingen, Beauregard und Sebastian ihr Schwert auszuhändigen. Natürlich waren sie in der Unterzahl gewesen und hätten es niemals geschafft, sich durch Beauregards Meute von Vampiren zu kämpfen. Trotzdem hatte sie ein flaues Gefühl im Magen.
Beauregard saß mitten auf der Bühne in einem großen Sessel, den man eigens aus dem Requisitenfundus herbeigeschafft haben musste, wo Victoria ihn früher am Abend gesehen hatte. Mit seinen glimmenden Augen und den Fangzähnen, die leicht gegen das Fleisch unter seinem Mund drängten, sah er königlich und machtvoll aus.
»Was hat er mit mir vor?«, fragte Victoria leise. Sie stand, den Blick unverwandt auf Beauregard gerichtet, mit Sebastian auf der Seitenbühne.
»Es überrascht mich, dass du dir das noch nicht zusammengereimt hast,Victoria«, antwortete er mit seiner gewohnt gedehnten Sprechweise. »Beauregard und Nedas konkurrieren schon lange um die Herrschaft über die Vampire. Mein Großvater hätte nicht entzückter sein können, dass nicht nur Akvans Obelisk zerstört wurde, sondern du ihn auch noch von Nedas befreit hast.«
»Dann sollte er vor Freude jauchzen und uns freilassen, anstatt ›Vergeltung‹ zu planen.«
»Gewiss. Und was denkst du, wie lange wird er die Kontrolle über die Vampire und die Tutela behalten, nachdem er entschieden hat, zwei Venatoren, die die natürlichen Feinde seiner Gefolgsleute
sind, zu verschonen? Ungeachtet des Gefallens, den man ihm heute Nacht erwiesen hat, wird er die Macht, nach der er so lange gestrebt hat, nicht gefährden, indem er zwei Venatoren am Leben lässt. Komm jetzt mit mir, und verhalte dich ruhig. Steh einfach nur da und sieh hübsch aus. Zum Glück hat mein Großvater eine Schwäche für schöne Frauen.«
»Wie es scheint, haben Sie einen unauslöschlichen Eindruck bei meinem Enkel hinterlassen«, bemerkte Beauregard, nachdem Sebastian sie zu ihm geführt hatte. »Du hast eine ausgezeichnete Wahl getroffen«, fügte er an seinen Enkel gerichtet hinzu. »Ich verstehe nun, was du so anziehend an der Frau findest. Sie ist wirklich recht ansehnlich.«
»Ich bitte dich nur deshalb darum, ihr Leben zu verschonen, weil sie mir Vergnügen bereitet«, erwiderte Sebastian mit einer knappen Verbeugung. »Sie wurde entwaffnet und trägt nicht länger das Symbol der Venatoren. Sie ist keine Gefahr mehr für euch.«
Victoria hatte Mühe, ihre Miene ausdruckslos zu halten. Sie mochte in diesem Moment keine Gefahr darstellen, aber sobald sie ins Konsilium zurückgekehrt wäre, würde sie sich um eine neue vis bulla kümmern und die Jagd wieder aufnehmen.
Vorausgesetzt, Sebastian konnte seinen Großvater ebenso erfolgreich um den Finger wickeln wie sie.
»Ich verstehe dich. Aber es wäre ganz einfach, diese Schönheit für alle Ewigkeit zu bewahren, Sebastian. Sie könnte für immer deine Konkubine sein, so wie sie es heute schon ist.« In Beauregards Augen glitzerte ein Funken derselben Koketterie, derer sich sein Enkel oft bediente, aber in seinem Fall drehte es Victoria dabei den Magen um. »Und es wäre mir ein großes Vergnügen, dies für dich zu übernehmen.«
»Nein, danke, Großvater. Ich bitte dich nur darum, sie zu verschonen.«
»Dann werde ich dir deinen Wunsch erfüllen, Sebastian. Allerdings nur dieses eine Mal. Sollte ich ihr irgendwann unter anderen Umständen ein weiteres Mal begegnen, ist ihr Leben verwirkt.« Er betrachtete Victoria mit seinen rubinroten Augen, und sie spürte seine ganze Macht, den hypnotischen Sog seiner Verlockung, und für einen winzigen Moment fragte sie sich, wie es sich wohl anfühlen mochte, wenn er die Fangzähne in ihrem Hals vergraben würde.
Sein Lächeln wurde breiter, als er ihre Reaktion bemerkte, dann wandte er sich wieder seinem Enkel zu. »Du bist dir ganz sicher? Nun gut, dann werde ich mich jetzt um den anderen kümmern. Bringt ihn her.«
Victoria versuchte zu schlucken,
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