Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
aber ihre Kehle war wie ausgedörrt.
Max.
Sie hatte eine schreckliche Vorahnung, was ihm bevorstand. Vor allem, nachdem Sebastian seine Gefühle Max gegenüber ganz klar zum Ausdruck gebracht hatte.
Sie blieb stehen und zupfte Sebastian am Arm. »Was ist mit Max?«
»Ich kann und werde ihn nicht ebenfalls retten«, verkündete er und zog sie weiter hinter sich her.
»Dein Großvater will ihn hinrichten. Aber warum? Nachdem Max mich gezwungen hatte, dir das Schwert zu geben, dachte ich -«
»Nein, Maximilian hat für Beauregard nicht mehr übrig als für mich. Er hat dich lediglich beschützt, als er dich dazu brach te, mir das Schwert auszuhändigen. Selbst zusammen hättet ihr
einen Kampf gegen Beauregard nicht gewinnen können, und jetzt, da er weiß, dass ich für deine Sicherheit sorgen werde, wird er seine eigene Strafe akzeptieren. Nun beeil dich, bevor mein Großvater es sich noch einmal anders überlegt.«
Sebastian führte sie eilig von der Bühne, als plötzlich von oben etwas an ihnen vorbeizischte und mit einem lauten, dumpfen Aufschlag zwischen ihnen und Beauregard auf der Bühne landete.
Victoria sprang zurück und blickte nach oben, wo sie auf demselben Steg, den sie vor nicht allzu langer Zeit benutzt hatte, ein Paar rot funkelnder Augen entdeckte. Irgendjemand hatte dasselbe getan wie sie zuvor - nämlich eines der schweren Bühnenbilder gelöst und nach unten stürzen lassen.
Ein riesiger Tumult brach los.Von allen Seiten stürzten Vampire - die entweder neu hinzugekommen waren oder aber in den dunklen Ecken des Opernsaals gelauert hatten - herbei und griffen Beauregards Gefolgsleute an.
»Victoria, komm!« Sebastian war unübersehbar schockiert, und sie selbst wurde nun zum zweiten Mal in dieser Nacht von einer Bühne gezerrt, die sich plötzlich in ein Schlachtfeld verwandelt hatte.
Dann entdeckte sie Max.
Unbewaffnet stand er an einem Ende der Bühne und versuchte, einen einzelnen Vampir abzuwehren, während andere um ihn herum kämpften. Es war nur eine Frage von Minuten, bis man ihn überwältigen würde.
Victoria blieb stehen und sah sich instinktiv nach irgendetwas um, das sich als Waffe eignen würde, als Max sie bemerkte. Ihre Blicke trafen sich über das Handgemenge hinweg, und sie las die Botschaft, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Es war dieselbe,
die er ihr zu vermitteln versuchte, seit sie sich bei Regalado begegnet waren.
Verschwinde!
»Victoria!« Sebastian zerrte an ihrem Arm, aber sie hielt sich am Saum des Samtvorhangs fest, der an der Seite der Bühne hing, und rührte sich, halb hinter ihm verborgen, nicht von der Stelle.
Nervös beobachtete sie, wie Max versuchte, dem Vampir, der gerade auf ihn zusprang, mit einer Kreiselbewegung auszuweichen... Sie sah ihn stürzen und wieder auf die Beine kommen.
Er blickte noch einmal zu ihr herüber, sein Gesicht eine Maske grimmiger Entschlossenheit.
Sie musste fort von hier.
Aber sie konnte ihre Füße nicht dazu bringen, sich in Bewegung zu setzen.
Trotz allem, was er getan hatte... Sie konnte ihn nicht sich selbst überlassen. Er war ein Venator. Sie durfte ihn nicht einfach dem Tod überantworten.
Sie konnte dieses Opfer nicht bringen.
Sie brauchte ihn.
Jetzt, da Eustacia von ihnen gegangen war, brauchte sie Max. Jemanden, dem sie vertrauen konnte.
Victoria riss sich von Sebastian los, stolperte durch die ruckartige Bewegung einen Schritt nach vorn, verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als sie für einen kurzen Moment auf den Knien verharrte, bemerkte sie etwas Funkelndes unter dem Vorhang. Sie griff danach und zog es unter dem schweren Samt hervor, dann begriff sie, was sie da in der Hand hielt.
Es war ein Splitter von Akvans Obelisk. Er war nicht mehr als zwei Finger breit und kürzer als ein Unterarm: die Größe eines
Pflocks. Sie roch das Böse an ihm, fühlte ihn zischen und seine Energie ihren Arm hinaufstrahlen.
Sie zog sich an dem Vorhang auf die Füße und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne. Max war noch immer dort, aber er wurde schwächer; und war außerdem durch ihre Gegenwart abgelenkt, weil er ständig in ihre Richtung sah, um sich zu vergewissern, dass sie endlich ging.
Ihr blieb keine Wahl.
Sie musste ihre Gefühle beiseiteschieben und das Opfer bringen.
»Victoria!« Sebastian fasste nach dem Handgelenk, in dessen Fingern sie den Splitter hielt, und dieses Mal ließ sie sich mit einem letzten Blick zu Max von ihm fortziehen.
»Was willst du damit?«,
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