Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
und einem der Ältesten unter den Vampirjägern, zu Michalas, der zu den wenigen Venatoren zählte, die ständig in Rom lebten. Es war nun beinahe zwei Monate her, seit Victoria sich die beiden vis bullae hatte einsetzen lassen, und obwohl sie seither mehrere Male auf der Suche nach Vampiren nachts die Straßen durchstreift hatte, war es relativ ruhig geblieben.
Als Michalas nun nickte, bewegten sich seine rostroten Locken nur ganz leicht, so straff waren sie nach hinten gekämmt. Mit seiner hellen Haut und den strahlend blauen Augen wirkte er wie ein Junge, nicht wie ein erbitterter Krieger, und das ungeachtet
der Tatsache, dass er zehn Jahre älter war als Victoria. »Ein ganzer Haufen von ihnen - vielleicht drei Dutzend. In unterschiedlichen Graden der Verwesung, deshalb macht es ganz den Eindruck, als wäre mit der Sache schon vor einiger Zeit begonnen und das Anhäufen immer weiter fortgesetzt worden. Ich habe ihn vor zwei Wochen entdeckt, aber viele der Kadaver mussten zu dem Zeitpunkt schon deutlich länger dort gelegen haben. Möglicherweise zwei oder drei Monate.«
»Das klingt nicht nach Vampiren.« Fragend schaute Victoria Ilias an. »Sie bevorzugen menschliches Blut, außerdem gäbe es für sie nicht den geringsten Grund, ihren Opfern die Köpfe abzuschneiden.«
»Ja, und genau deshalb habe ich bis zur heutigen Versammlung gewartet, um euch davon in Kenntnis zu setzen.« Michalas’ Blick glitt zu Ilias, dann zurück zu Victoria. »Es ist keine dringende Angelegenheit, da nichts auf irgendeine Verbindung zu den Untoten oder eine andere nichtmenschliche Bedrohung hindeutet.«
Der ältere Mann nickte zustimmend. Ilias war über fünfzig, vielleicht schon an die sechzig, und seine wässrigen, aber weisen Augen waren von einem Gespinst feiner Falten umgeben. Wenn er, so wie jetzt, tief in Gedanken versunken war, kniff er sich stets mit Daumen und Zeigefinger in die Nasenspitze. » Vero , keine Vampire. Aber zweifellos etwas sehr Unschönes. Es könnte sich um eine so harmlose Sache wie die Überreste aus einem Fleischergeschäft handeln - einige der orientalischen Reisenden besitzen recht ungewöhnliche Essgewohnheiten. Das war vor zwei Wochen? Ist der Haufen seitdem größer geworden?«
Michalas lächelte verlegen. »Ich muss zugeben, dass ich das Ganze nicht als wichtig genug eingestuft habe, um ihn noch einmal zu überprüfen. Da sich die Stadt momentan auf den Karneval vorbereitet und all die Besucher für die Festlichkeiten eintreffen, habe ich mich auf die stärker von Menschen frequentierten Viertel konzentriert.«
»Wo genau hast du ihn entdeckt?«
»Im Esquilino«, antwortete Michalas. »Ich habe zwar keine Untoten in der Gegend gesehen, aber es waren trotzdem welche in der Nähe. Ich konnte sie spüren.«
»Im Esquilino. Also nicht weit von der Villa Palombara entfernt.« Ein scharfer Ausdruck trat in Ilias’ blaue Augen. Manchmal wirkten sie ein wenig wässrig und entzündet, aber dieser Eindruck verschwand sofort, sobald etwas von Interesse seine Aufmerksamkeit erregte.
Victoria wartete, dass einer der Männer, die beide gebürtige Römer waren, eine Erklärung abgab. Da sie selbst die ersten zwanzig Jahre ihres Lebens in England verbracht hatte, war sie in dieser Stadt, der Heimat und Geburtsstätte der Venatoren, zunächst eine Fremde gewesen. Dennoch und ungeachtet der Tatsache, dass sie eine Frau und dazu noch wesentlich jünger war als alle anderen, begegneten sie ihr respektvoll und sehr entgegenkommend, wenn sie Informationen welcher Art auch immer benötigte. Schließlich war sie Illa Gardella.
»Die Villa Palombara steht schon seit einhundertvierzig Jahren leer, seit dem Zeitpunkt, als der Marchese Palombara unter seltsamen Umständen spurlos verschwand. Er war ein Alchimist, der einen recht beliebten Salon führte. Dort empfing er andere, die seine Faszination teilten und genau wie er nach einer
Methode suchten, jede Art von Metall in Gold zu verwandeln: ein Prozess, den viele für die Quelle der Unsterblichkeit halten.«
Victoria wusste, dass es geschmacklos wäre, zu erwähnen, wie leicht man Unsterblichkeit erlangen könnte, indem man sich einfach von einem Vampir beißen ließe. Aber natürlich war der Status eines Untoten an den Nachteil geknüpft, für alle Ewigkeit verdammt und außerdem gezwungen zu sein, menschliches Blut zu trinken. Also sagte sie stattdessen: »Vielleicht könnten wir ja heute Abend dort hingehen und nachsehen, ob sich etwas verändert hat. Wie
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