Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
gesellschaftliche Leben vernachlässige. Und wie froh sie war, nun hier zu sein, um die Dinge in Ordnung zu bringen.
Doch das war nur die kleinste von Victorias Sorgen.
Verbena löste Victorias Haar aus dem zwanglosen Knoten an ihrem Hinterkopf. »Aber Sie müssen jetzt, wo Ihre Mama hier ist, mehr auf Ihre Frisuren und Kleider achten. Sie wird nicht zulassen, dass Sie nicht auch wie eine Marquise aussehen, wo Sie den Titel doch nun endlich haben.« Sie klang sehr zufrieden über diese neue Entwicklung, was keine wirkliche Überraschung war. Verbena liebte nichts mehr, als ihre Kreativität an Victorias Frisuren und Garderobe auszutoben, während sie
gleichzeitig immer neue Methoden entwickelte, um in beidem all die Gerätschaften unterzubringen, die ihre Herrin eventuell benötigen könnte.
Als Victoria kürzlich entschieden hatte, die von Kritanu sowohl für ihr Training als auch die anschließenden Ruhephasen favorisierte lange Tunika und den geschlitzten Rock zu tragen, war Verbena schier in Ohnmacht gefallen. Doch da Victoria die Villa Gardella meist nur verlassen hatte, um sich ins Konsilium zu begeben und anschließend die Straßen nach Vampiren zu durchkämmen, spielte es ihrer Meinung nach keine Rolle, was sie trug. Da sie in Rom nur wenige Leute kannte, gab es für sie so gut wie keine gesellschaftlichen Anlässe, die ihre Teilnahme erfordert hätten. Und, wenn sie ganz ehrlich war, wollte sie es auch genau so haben.
Ihre Tage der Bälle, Dinnerpartys und Hauskonzerte - die zum Glück auch - waren vorüber. Sie war ein Venator, und dafür lebte sie.
Aber all das würde sich nun, da Melly und ihre Entourage hier waren, schlagartig ändern.
»Mutter hat keinen Zweifel an ihrem Missfallen gelassen, was die Wahl meiner Kleider und Frisuren betrifft. Allerdings denkt sie, dass es mit meiner Trauer um Eustacia zusammenhängt.« Victoria schaute sehnsüchtig zu ihrem Bett. Mit viel Glück würde sie noch zwei Stunden Schlaf bekommen, falls sie ihre sorgenvollen Gedanken beiseiteschieben konnte. »Nur leider hat mir das Thema ein noch viel größeres Problem bewusst gemacht.« Sie sah in den Spiegel und blickte in die kristallblauen Augen ihrer Zofe.
»Ich hab keine Bedenken, dass Sie sich Ihre Mama und die
beiden gackernden Hühner vom Leib halten werden. Allerdings hab ich gehört, wie sie gesagt hat, dass Sie nach London und in die Gesellschaft zurückkehren sollen. Sie will, dass Sie wieder heiraten und ihr ein paar kleine Häschen in Windeln schenken.«
Victoria schüttelte den Kopf. »Nein, nein, damit werde ich schon fertig, denke ich. Es gibt da ein viel größeres Dilemma.« Sie schloss für einen Moment die Augen. »Dieses silberne Armband, das meine Tante immer trug … ich muss es unbedingt finden. Sobald meine Mutter sich daran erinnert, wird sie es für sich haben wollen. Aber noch schlimmer ist, dass auch die Vampire bereits danach suchen, weil nämlich ein ganz spezieller Schlüssel darin versteckt ist.«
Wieder trafen sich ihre Blicke im Spiegel. Verbenas Augen weiteten sich in ihrem Puttengesicht, dann schürzte sie die Lippen.
»Das, Mylady, ist wirklich ein verdammt großes Problem.«
»Und zwar umso mehr, als meine Mutter glaubt, dass Eustacia im Schlaf gestorben sei. Natürlich geht sie davon aus, dass sich das Armband an ihrem Körper befunden haben muss und ich es einfach hätte abnehmen können.«
»Und wenn Ihr Tantchen es Kritanu hinterlassen hat?«
Victoria schüttelte den Kopf. »Nein, das hat sie nicht getan. Er gab mir all ihre persönlichen Sachen, und es war nicht darunter.«
Die apfelwangige Zofe schnalzte, die Mundwinkel mitleidig gesenkt, mit der Zunge. Dann hoben sie sich plötzlich. »Aber, Mylady, Sie vergessen, dass eine gewisse Person die Leiche anschließend noch gesehen hat. Das muss so sein, denn sonst
hätte sie Ihnen die vis bulla Ihrer Tante nicht schicken können. Vielleicht -«
»Ich weiß.« Als Victoria nun aufstand, um ihr Bett anzusteuern, tat ihr mit einem Mal der Kopf weh. »Und genau das ist das Schlimmste an dem Ganzen.«
Denn nun würde sie nicht nur die Vampire daran hindern müssen, die Schlüssel zu finden und mit ihnen die Magische Tür zu öffnen. Es blieb ihr allem Anschein nach auch nichts anderes übrig, als irgendwie Kontakt zu Sebastian aufzunehmen und ihn um Hilfe zu bitten.
Anschließend würde er wie üblich von ihr erwarten, dass sie sich für besagte Hilfe erkenntlich zeigte.
Aber wenn sie ehrlich war, konnte sie sich
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