Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
- so schmutzig und derangiert? Ach, du liebe Güte! War sie etwa verletzt worden? … und sie konnte nichts weiter tun, als sie zupfen und tätscheln und schnattern zu lassen, so wie sie es schon seit ihrer Kindheit getan hatten.
Mit einem erschöpften Blick über ihre Schulter wandte sie sich an Giorgio. »Bitte sagen Sie Verbena, dass es noch eine Weile dauern wird.«
Eine lange Weile.
Zwei Stunden später ließ Victoria sich auf den Stuhl vor ihrem Frisiertisch sinken. Zwei Stunden .
Sie hatte diese ganze lange Zeit über zuhören müssen, wie sich Nilly und Winnie über die Ringe unter ihren Augen, ihr hageres Gesicht (was Lady Nilly, die selbst alles andere als pausbackig war, allerdings gar nicht so schlimm fand) und die Blässe ihrer Haut ausließen. Ganz zu schweigen von der Tristesse ihrer einfachen Haartracht und der gar nicht modischen Kleidung.
Aber das war noch nicht alles. Es folgte nämlich so manch unverhohlener Hinweis darauf, dass Victoria nach London zurückkehren sollte, um sich dort einen neuen Ehemann zu angeln. Denn immerhin sei ihre gute Freundin Gwendolyn Starcasset inzwischen der Liebling der Gesellschaft, seit sie sich kürzlich mit einem Grafen verlobt habe, der mehr als fünfzigtausend im Jahr mache, und da wäre ihr Bruder George doch die perfekte Wahl für Victoria (die sich bei diesem Thema besonders heftig auf die Zunge beißen musste; als sie George Starcasset das letzte Mal gesehen hatte, war er bei Nedas, hier in Rom gewesen - als Mitglied der Tutela und überaus interessiert daran, sie zu vergewaltigen).
Dann waren da noch Mellys Klagen über Lord Jellington gewesen, der ihre Erwartungen, die sie an einen Verehrer stellte, wohl doch nicht ganz erfüllt hatte und somit zum Auslöser für ihre Reise nach Italien geworden war.
Anschließend folgten Kommentare zu italienischem Gebäck (zu trocken und krümelig), den Straßen Roms (eng, verwirrend und mit Touristen überfüllt) und der Schönheit des kleinen Brunnens, der vor der Villa stand.
Victoria musste die hässlichen roten Schwielen auf ihrer linken Hand - ihrer Tee einschenkenden und Pflock schwingenden - verstecken, während sie die gute Gastgeberin mimte, denn natürlich trug sie, anders als zu Hause in London, keine Handschuhe. Ebenso wenig wie ein angemessenes Kleid, ein Umstand, der ihre Mutter noch immer mit Entsetzen erfüllte.
Der ganze Abend hatte schließlich für Victoria in einem riesigen Problem gegipfelt, doch war sie nicht sicher, ob sie die Richtung weiter verfolgen wollte, in die ihre Gedanken sie führten. Sie legte den Kopf auf den Frisiertisch in ihrem Schlafzimmer.
»Jetzt kommen Sie schon, Mylady, hat doch keinen Sinn, sich von denen das Leben noch schwerer machen zu lassen, als es ohnehin schon ist. Sie haben Wichtigeres zu tun.«
Victoria hob den Kopf und blickte in den Spiegel. Das Einzige, was sie anfangs sah, war ein orangefarbenes Büschel zu beiden Seiten ihres eigenen, dunklen Schopfes, dann schaute Verbena, die gerade die Knöpfe von Victorias Tunika geöffnet hatte, auf. In ihrer Miene spiegelte sich Mitleid wider.
»Haben Sie dieses riesige Kruzifix gesehen, das die Herzogin trägt? Ich schwöre, dass sich noch nicht mal mein Vetter Barth so ein großes umhängen würde, und das, obwohl er selbst schon Vampire durch die Gegend kutschiert hat. Bitte nehmen Sie es mir nicht krumm, wenn ich das sage, aber das Kruzifix der Herzogin sieht größer aus als das vom Papst.«
Weiter munter vor sich hin plappernd, zog Verbena Victoria die Tunika über den Kopf, sodass ihre müde Herrin anschlie ßend mit nichts als ihrem Unterhemd und dem geschlitzten Rock am Leib dasaß.
Victoria seufzte. »Ich kann einfach nicht glauben, dass sie hier sind«, murmelte sie erschöpft. »Mutter ist einfach mit ihnen hierhergekommen, ohne mich vorzuwarnen, und ich habe keine Ahnung, wie ich jetzt nachts das Haus verlassen soll, ohne dass sie es mitbekommen.« In wenigen Stunden würde die Sonne untergehen und die Zeit für die Vampirjagd anbrechen, aber Melly erwartete, dass Victoria ihnen beim Dinner Gesellschaft leistete. Ganz bestimmt würde sie außerdem von ihr verlangen, dass sie sich ihnen nicht nur tagsüber, sondern auch abends bei diversen Vergnügungen anschloss.
Tatsächlich hatte der Mangel an Einladungskarten auf dem Tisch im Flur Lady Melly zu einem weiteren Monolog darüber verleitet, wie zurückgezogen Victoria seit Eustacias Tod lebe und wie schrecklich es doch sei, wenn man das
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