Das Buch der Verdammnis (German Edition)
der Hand. Gonzo nahm sie mir aus der Hand, holte sich ein Brötchen aus der Tüte, schnitt es auf und begann es mit Nutella zu bestreichen.
„Ich hab vielleicht nen Hunger“, sagte er.
Ich setzte mich an den Tisch.
„Was ist denn los?“, fragte Gonzo.
„ Das ist wahrscheinlich wegen der letzten Hank-Lester-Geschichte.“
„ Und was ist damit?“
„ Ich hab dir doch erzählt, dass ich mal was ganz anderes machen wollte, nicht immer den üblichen Schluss, dass Hank mit ner Frau ins Bett steigt. Bei der letzten Geschichte hab ich mal was anderes ausprobiert.“
„ Und was?“
„ Dass sie mal nicht miteinander schlafen.“
„ Und warum nicht?“
„ Hank Lester hat's nicht gebracht.“
Gonzo sah mich fassungslos an. Er hielt sein Brötchen in der Hand, von dem er gerade abbeißen wollte. Doch er war in der Bewegung erstarrt.
„Was heißt, er hat's nicht gebracht?“
„ Er hatte Erektionsprobleme. Es ging einfach nicht. Und da haben sich die beiden lieber über Quantenmechanik unterhalten. Das heißt, Helen hat ihm etwas darüber erzählt. Hank hat ja keine Ahnung.“
Gonzo hörte mir zu, ohne etwas zu sagen.
"Lester hat es mehr als verdient“, sagte ich. „Es war Zeit, dass er mal eine Lektion erhält.“
Gonzo schwieg.
"Ich denke. Unbewusst hat Hank gemerkt, dass er einer Frau wie Helen nicht gewachsen ist. Sie ist intelligent, scharfsinnig, hat Sinn für Ästhetik und Kultur, ein mehr intellektueller Typ eben, keine Frau für Hank Lester.“
Gonzo schwieg noch immer.
„Hank geht jetzt auch schon auf die fünfzig zu. Und er steht auch ziemlich im Stress, diese ganze Dämonenjagd, das geht nicht spurlos an einem vorüber.“
Gonzo schüttelte kurz den Kopf, es war, als würde er aus einer Trance erwachen. Er blickte auf das Brötchen, das er noch in der Hand hielt, dann legte er es wieder auf den Teller.
„So sehr liebst du sie also. Du hast Hank Lester Erektionsprobleme angedichtet.“
Gonzo stand auf. Er blickte mich mit seinen Dackelaugen an. Ehe ich reagieren konnte, beugte er sich zu mir und umarmte mich. Er drückte mich fest, wiegte uns dabei nach rechts, nach links, dann ließ er mich los und setzte sich wieder.
„Ich bin stolz auf dich“, sagte er. „Weißt du das? Du bist bereit, für deine Liebe Risiken einzugehen. Du gehst aufs Ganze. Und es ist dir scheißegal, dass du jetzt wahrscheinlich vom Verlag abserviert wirst, dass du bald die Miete nicht mehr bezahlen kannst, dass das vielleicht der Anfang von einem sozialen Abstieg ist, der dich nach ganz unten führen wird.“
„ Das ist doch Blödsinn. So schnell werd ich nicht abserviert.“
„ Und Helen. Was wird sie sagen, wenn sie davon erfährt, wie sehr du sie liebst. Wenn sie dich sieht, wie du unter einer Brücke schläfst, völlig abgerissen, unrasiert, wie ein Penner, und das alles, weil du für deine Liebe gekämpft hast, wenn sie dich so sieht, dass du in Müll und Dreck schläfst … Na ja, dann wird sie vielleicht doch lieber zu Hank Lester gehen.“
Gonzo blickte starr nach vorne, als würde er die Szene vor sich sehen.
Ich spürte, wie ich zu schwitzen begann.
"Du übertreibst. Mit Winter kann man reden. Ich werde ihm alles erklären. Er wird das sicher verstehen. Er sieht sicher auch, dass diese Szene durch die Charakterzeichnung der Figuren einfach zwangsläufig war. Vielleicht findet er ja diese Idee sogar ganz gut.“
„ Wie zum Teufel bist du auf so eine hirnrissige Idee gekommen. Du schreibst Abenteuergeschichten für einen Dämonenjäger, nicht irgendwelche überspannte Beziehungsromane.“
Wir saßen zu dritt in dem großen Besprechungszimmer des Verlags. Paul Winter, ich und Eva Hansen. Eva starrte stumm auf ihren Kaffee, während Paul Winter sich überhaupt nicht mehr beruhigen wollte.
Dass ausgerechnet Eva bei dem Gespräch dabei sein musste. Ich sah kurz zu ihr. Eva hatte ihr schwarzes Haar nach hinten gekämmt. Ihr eher weiches Gesicht mit einer Stupsnase und ihre zierliche Figur führten oft dazu, dass man sie unterschätzte. Doch sie wurde angetrieben von einem brennenden Ehrgeiz und konnte knallhart sein, wenn es darauf ankam.
Vor zwei Jahren hatte ich sie auf einer Verlagsparty kennengelernt. Sie arbeitete als Lektorin und fest angestellte Autorin im Verlag. Nebenher hatte sie große Ambitionen als Romanschriftstellerin. Wir hatten eine lange Beziehung. Wild, leidenschaftlich und zerstörerisch. Vor einem halben Jahr war es mit einem heftigen Streit zu Ende gegangen. Eva
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