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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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hatte etwas getan, was man nie tun sollte, wenn man an einem Roman schreibt. Sie hatte mich, einen Kollegen, um die ehrliche Meinung zu ihrem Manuskript gebeten.
    „Sei bitte ganz ehrlich“, hatte sie gesagt. Ich war ehrlich gewesen. Sie hatte meine Worte mit steinerner Miene zur Kenntnis genommen. Dann war jener fatale Satz gefallen, den jeder Autor fürchtet und hasst. Ihre Charaktere seien eindimensional, hatte ich gesagt. Eindimensional. Sie war zusammengezuckt, als hätte man sie mit einer glühenden Rute mitten ins Gesicht geschlagen. Eindimensional. Sie hatte mir das schwere Romanfragment an den Kopf geschleudert. Eindimensional. Noch am selben Abend war es zu Ende. „Du bist ein lausiger Schriftsteller“, schrie sie mich an. „Deine Gedichte kannst du dir in den Hintern stecken. Und deine Figuren sind nicht mal eindimensional, die sind gar nichts.“
    Seit diesem Abend hatten wir uns nicht mehr gesehen, und dass sie jetzt neben Winter saß, verursachte mir ein unangenehmes Gefühl in der Magengrube.
    „Ich hab gedacht, ich les nicht recht. Kannst du mir bitte erklären, wie du auf so einen Schwachsinn gekommen bist?“
    Während Paul Winter weiter herumbrüllte, überlegte ich fieberhaft, was ich tun konnte. Erst jetzt wurde mir bewusst, was für ein Risiko ich eingegangen war. Die Hank-Lester-Reihe war meine Arbeit, damit verdiente ich mein Geld. Seit Jahren hatte ich nichts anderes gemacht und immerhin war dadurch mein Konto jeden Monat gut gefüllt. Ich hatte mich schon wie ein Angestellter des Verlags gefühlt, alles war so selbstverständlich. Doch das konnte mit einem Schlag vorbei sein.
    Winter war endlich fertig. Er saß am Kopfende des Tisches und hatte seine Unterarme auf den Tisch gestützt. Er sah mich erwartungsvoll an.
    “ Wenn du das Ganze ganz ruhig betrachtest“, begann ich meine Verteidigungsrede, „so könnte es sich als Gewinn erweisen. Ich kann mir vorstellen, dass die Leser meiner Hefte es durchaus als positiv betrachten, wenn Hank Lester nicht ganz so eindimensional ist."
    Eindimensional. Ich hatte das Tabuwort gesagt. In Evas Gesicht zuckte es.
    "Der Leser kann sich sicher besser mit einer Figur identifizieren, wenn sie in bestimmten Situationen ganz normal ist und auch menschliche Schwächen hat. Wenn die Figur ein Mensch ist, wie du und ich eben.“
    Winter sah mich misstrauisch an.
    "Willst du damit andeuten, ich hätte irgendwelche Probleme mit meiner Erektion."
    "Aber nein", wehrte ich ab. "Natürlich nicht, wie kommst du nur darauf. Ich wette, du hast eine hammerharte Erektion.“
    Paul schaute mich forschend an.
    „ Na ja“, sagte er dann. „Die Frauen übertreiben gern. Aber in diesem Falle nicht.“
    Er warf Eva einen kurzen Seitenblick zu, ob sie auch wirklich beeindruckt war. Aber Eva rührte nur stumm in ihrem Kaffee.
    Paul war eher klein, ein schmales Gesicht mit einem Ziegenbart, er hatte einen sehnigen, durchtrainierten Körper und verbrachte seine Freizeit damit, in Fitnessstudios Gewichte zu stemmen.
    War man mit ihm allein, konnte man ganz vernünftig mit ihm reden. Doch sobald eine Frau in der Nähe war, geschah eine seltsame Verwandlung mit ihm. Er streckte sich, um größer zu erscheinen. Die Themen des Gesprächs handelten auf einmal nur davon, wie hart er gestern wieder trainiert hatte oder welche satten Gewinne er bei irgendwelchen Aktienspekulationen gemacht hatte.
    Oder er spannte seine Armmuskeln an und fragte, ob sein rechter Bizeps nicht im Vergleich zu seinem linken überentwickelt sei, wobei er die anwesenden Frauen aufforderte, diesbezüglich ihre Meinung zu äußern. Kurzum, sobald auch nur der Hauch eines weiblichen Wesens sichtbar war, war Winter einfach nur ein unausstehlicher Idiot.
    Er sah mich einen Augenblick an, als ob er warten würde, ob ich noch etwas zu sagen hätte. Aber mehr fiel mir zu meiner Verteidigung nicht ein. Winter griff neben seinen Stuhl, holte seine Aktentasche hoch. Er legte sie auf den Tisch und öffnete sie.
    Heraus holte er ein großes Buch in einem schwarzen Umschlag. Vorsichtig legte er es auf den Tisch, als wäre darin das Geheimnis des Grals enthalten.
    Innerlich stöhnte ich auf. Ich wusste, was jetzt kommen würde. Ich hasste dieses Buch. Alle Autoren hassten dieses Buch.
    Seit zwei Jahren gab es intensive Befragungen und Untersuchungen zu den Heftromanen des Verlags. Winter hatte die Idee dazu gehabt, es war sein Baby. Winter wusste nichts vom Schreiben, was er selber manchmal produzierte, war

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