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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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erbärmlich, er hatte nicht die geringste Ahnung, warum ein Buch erfolgreich war oder nicht. Als Lektor und Verleger war er eine Null.
    Ihm ging es dabei wie hunderten anderen Führungskräften in der Wirtschaft, in städtischen oder staatlichen Einrichtungen. Alle diese Führungskräfte hatten nicht den geringsten Schimmer von dem, was sie eigentlich machten.
    Und weil sie insgeheim ahnten, dass nur eine besonders fiese Laune des Schicksals sie in eine leitende Position gehievt hatte, hatten sie nur eine Waffe, die sie einsetzen konnten im Kampf gegen ihren sofortigen Untergang: Zahlen, je mehr, desto besser.
    Sie beauftragen Marktforschungsinstitute, externe Berater, die ihnen diese Zahlen lieferten.
    Und an diese Zahlen glaubten sie, diese Zahlen erschlugen jedes Argument, jedes Gefühl für gut und schlecht.
    Von der Marktforschungsagentur IMI erhielt Winter jeden Montagmorgen das schwarze Buch. Darin war genau aufgelistet, welche Leser wann wo, wie, und zu welchem Zweck die Heftromane des Verlags lasen.
    "Ich habe die Reaktion der Leser auf diese Episode prüfen lassen“, sagte Winter. Er blickte fast andächtig auf die Seiten, die er aufgeschlagen hatte. „Heute Morgen sind die Ergebnisse gekommen."
    Winter beugte sich über die Seiten. „Ich kann nicht alles vorlesen, das würde zu lange dauern. Nur die wichtigsten Zahlen. Hier: 86 Prozent." Er sah kurz auf, blickte mich an, wiederholte die Zahl, lauter werdend, als hätte er es mit Schwerhörigen zu tun. „86 Prozent der Leser des letzten Heftes haben eine negative Meinung zu Hank Lesters kleinem, allzu menschlichem Problem."
    Er blickte wieder auf, um meine Reaktion zu studieren. Dann las er weiter.
    "Nur 30 Prozent der Leser würden dieses Heft einem Freund oder Freundin empfehlen, und über 50 Prozent der Leser lesen die Hank-Lester-Hefte nicht an öffentlichen Orten wie U-Bahn oder Parks, weil sie Angst haben, dass sie von Freunden oder Bekannten dabei gesehen werden.“
    Er ließ die Worte wirken. „Hier noch ein paar detaillierte Informationen zu der letzten Geschichte. 82 Prozent der Leser hätten Helen einen schnellen Tod nach zwanzig Seiten gewünscht, weil - ich zitiere - niemand über so intellektuelle, frigide Ziegen lesen will. Und 63 Prozent der Leser sind der Überzeugung, dass Hank Lester nur deshalb dieses allzu menschliche Problem hatte, weil er zu viel mit seinem Affen Bobo zusammen ist.“
    "Aber das ist doch Unsinn", sagte ich.
    Winter sah mich streng an.
    "Aber das Schlimmste ist, 80 Prozent der Leser meinen, dass die Hank-Lester-Abenteuer früher viel besser waren. Sie finden das Niveau des Heftes so schlecht, dass sie fürchten, als Leser von Hank-Lester-Romanen verspottet zu werden. Wenn sie in ihrem Bekanntenkreis gefragt werden würden, ob sie solche Hefte kennen oder gar lesen, würden sie dies zu 91 Prozent verleugnen. Und das auch nach dreimaligem Nachfragen.“
    Winter machte wieder eine Pause, als würde er den nächsten Schlag vorbereiten.
    "Mit anderen Worten, als Leser von Hank-Lester-Romanen fühlt man sich wie der letzte Abschaum."
    "Ich denke", versuchte ich mich zu verteidigen, "solche Umfragen sind von vielen Dingen abhängig. Das ist sicher nur eine Phase. Vielleicht waren die letzten Abenteuer wirklich etwas einfallslos, aber das wird besser, das verspreche ich, gerade als ich hierher lief, hatte ich tolle Ideen für die nächsten Hefte, wirklich tolle Ideen."
    „ Ach, was kommt denn dann als Nächstes? Hank Lester geht zur Therapie. Er bekommt seine dritten Zähne?“
    "Ich verstehe ja, dass du sauer bist. Und der Einfall, dass Hank Lester auch mal im Bett versagt, war vielleicht wirklich nicht so toll. Ich dachte eben, dass man so den Charakter vielschichtiger machen könnte."
    "Was wollt ihr dauernd mit vielschichtigen Figuren. Was sollen das für Figuren sein. Shakespearsche Charaktere, die in der Klapsmühle enden? Niemand will vielschichtige Charaktere hier. Niemand."
    "Okay", sagte ich, "Keine vielschichtigen Charaktere."
    Winter trank etwas von seinem Kaffee.
    "Leon", sagte Winter. "es geht nicht nur um diese unappetitliche Sexgeschichte."
    Er griff zu seinem Notebook, das auf dem Tisch stand.
    „ Ich zeig es dir am besten auf dem Computer.“
    Er schaltete das Notebook ein. Dann ging er zu den Fenstern und zog die Vorhänge zu. Das Bild, das der Computer über einen Beamer an die Wand projizierte, wurde deutlicher. Winter setzte sich wieder und tippte etwas.
    "Bei der Untersuchung zu der Lester–Reihe

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