Das Buch der Verdammnis (German Edition)
einmal Fragen stellte.
"Was machst du eigentlich so? Ich meine beruflich."
Hank Lester hielt sein Caipirinhaglas in der Hand. Er wollte einen Schluck nehmen, zögerte dann aber und stellte das Glas zurück auf den Tresen.
"Mein Beruf. Nun, ich kann sagen, dass ich keinen alltäglichen Beruf habe.“
Er machte eine Pause.
„Ich rede nicht gerne darüber“, fuhr er fort. „Oft stößt mein Beruf bei Zeitgenossen auf Unverständnis, ja auf Ablehnung. Ich bin so etwas wie ein Kammerjäger."
Ich blickte ihn alarmiert an. Das war aus dem letzten Heft. Genau so hatte Hank Lester geantwortet, als ihn die Meeresbiologin Eva nach seinem Beruf gefragt hatte.
"Kammerjäger?", fragte Gonzo.
"Genau. Ich bin jedoch auf eine ganz besondere Art von Ungeziefer spezialisiert."
"Kannst du das vielleicht genauer erklären?" Gonzo sah den Fremden neugierig an.
"Glaube mir, es ist für dich besser, wenn ich darüber Stillschweigen bewahre."
"Aha.“ In Gonzos Kopf arbeitete es. Ich sah ihm an, dass er weitere Fragen stellen wollte, aber ihm war genauso wie mir klar, dass Lester nicht mehr von sich preisgeben wollte.
"Und welche Ungeziefer haben dich denn hierher verschlagen?", fragte ich in einem scherzhaften Ton.
Lester wandte sich mir zu. Sein Blick ruhte auf mir, es war fast schmerzhaft, in seine Augen zu sehen.
"Das weißt du doch am besten", sagte er.
"Ich verstehe nicht ganz." Meine Stimme klang unsicher, ich begann zu stottern. Ich ärgerte mich darüber, aber etwas war an dem Kerl, das einen mächtig einschüchtern konnte.
"Du hast mich gerufen, mein lieber Leon, und jetzt bin ich da."
Gonzo sah mich überrascht an. Hank Lester lächelte, als er meine Verblüffung bemerkte. Seine Worte hatten harmlos geklungen, doch in mir zog sich auf einmal etwas zusammen, eine undefinierbare Angst durchflutete meinen Körper und würgte jeden klaren Gedanken ab.
Ich brauchte einige Zeit, um zu antworten.
"Ich weiß nicht, was du damit meinst."
Lester lächelte wieder. "Du bist in Schwierigkeiten, Leon, ihr beide seid in großen Schwierigkeiten.“
Gonzo und ich hatten nicht die geringste Ahnung, wovon er sprach. Doch instinktiv spürte ich, dass mit Lesters Worten etwas begann, das mein Leben verändern würde. Meine Kehle war auf einmal trocken, ein leichtes Frösteln kroch wie eine Spinne über meinen Rücken. Das Gefühl, wenn man über die Schwelle tritt, der Moment, in dem man sein gesichertes Leben verlässt und sich aufmacht, eine neue, unbekannte Welt zu erforschen. Ich hatte von diesem Augenblick so oft in meinen Geschichten erzählt. Jetzt wusste ich, wie man sich dabei fühlte und es fühlte sich anders an, als ich es beschrieben hatte.
„ Der Schlund der Erde bricht auf“, sagte Lester. „Was geschlafen hat, erwacht. Was verborgen war, tritt ans Licht. Die Erde spuckt ihre Gedärme aus.“
Er hatte in einem feierlichen, pastoralen Ton gesprochen.
Gonzo und ich hatten ihm atemlos zugehört. In meinem Kopf war eine dumpfe Erinnerung, dass ich diese Worte schon einmal gelesen hatte, vor langer Zeit; aber mir fiel nicht mehr ein, wo. Doch es war eine Stimmung darin, die neu war. Vielleicht bewirkte das auch die Art, wie Lester gesprochen hatte, vielleicht auch, dass diese Worte so gar nicht ins Ricks passten.
In diesem Augenblick drängte sich ein großer, fetter Typ mit strähnigen, langen Haaren zwischen Lester und mir. Er trug eine schwarze Weste auf nackter Haut. Seine massigen, mit unzähligen Tätowierungen bedeckten Oberarme schoben Lester zur Seite und er stemmte seine fleischigen Hände auf den Tresen.
„Charlie, alte Schlampe, schenk mir mal ein Weizen ein.“
Edgar Loredo. Es war besser, sich nicht mit ihm anzulegen. Wenn er auf einen zukam, hatte man das Gefühl, im nächsten Moment mit einem Monster Truck zusammenzustoßen.
„Das ist eine sehr unhöfliche Art, eine Bestellung aufzugeben.“
Lester hatte das gesagt. Die Worte schienen bei Loredo mit einiger Verspätung anzukommen, denn es dauerte etwas, bis er sich zu Lester drehte. Lester war nicht klein, aber Loredo überragte ihn um einen halben Kopf.
„Was hast du gesagt, Mann?“
„ Dass Ihre Bestellung sehr unhöflich war. Zumindest ein Bitte sollte man erwarten.“
Loredo glotzte Lester an. Offensichtlich hatte er keine Ahnung, was er von ihm halten sollte.
„Außerdem lässt Ihr Körpergeruch sehr zu wünschen übrig. Ihre Ausdünstungen erinnern mich an die Ausscheidungen einer ganzen Longhorn Rinderherde.“
Loredo
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