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Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Das Buch der Verdammnis (German Edition)

Titel: Das Buch der Verdammnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Schuberth
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sich hin und sah mich an. "Ich hab hier die ganze Zeit gesessen und nachgedacht."
    Wieder starrte er auf den alten, kaputten Kompass, als könnte der ihm helfen.
    "Früher habe ich das nie gemacht", flüsterte Lester. "Einfach so sitzen und nachdenken. Ich hab immer gewusst, was zu tun war, was ich sagen musste. Ich hatte meinen inneren Kompass, aber jetzt ist er weg."
    Er schwieg wieder, sah immer noch auf den Kompass, als wollte er den Zeiger mit seinen Blicken dazu bringen, wieder auszuschlagen. Aber der Zeiger rührte sich nicht.
    "Es ist wie in einem Traum, den man wieder vergessen hat.“ Lester sprach jetzt so leise, dass ich ihn kaum noch verstand. „Man weiß, dass da was war, aber es hat die Wirklichkeit nicht erreicht, es ist einfach verschwunden."
    Lester sah mich an und das war einer dieser Momente, wo ich glaubte, dass alles möglich war. Dass es irgendwo in den Weiten des Universums einen Gott gab, dass unsere Wirklichkeit nur ein Traum war, dass es Milliarden von Parallelwelten gab und dass ich in Millionen davon existierte und dass in einer dieser Welten eine Heftromanfigur lebendig wurde und sich aufgemacht hatte, seinen Schöpfer zu finden.
    Dann war dieser Augenblick vorbei. Lester hustete auf einmal und alles, was ich vor mir sah, war ein einsamer Mann, der in eine Fantasiewelt aus einem billigen Heftroman geflüchtet war.
    „ Ich glaube, ich geh wieder zu Bett“, sagte ich.
    Ich stand auf, blieb einen Moment unsicher stehen, doch Lester starrte nur vor sich hin und so ging ich in mein Zimmer.
    Diesmal schlief ich sofort ein. Erst am späten Morgen erwachte ich.
     
    Als ich in die Küche kam, saßen Gonzo und Lester schon am Tisch. Gonzo hatte für uns alle ein Müsli gemacht. Er hatte tiefe Ringe unter den Augen.
    "Schlecht geschlafen?" fragte ich ihn, aber Gonzo winkte nur ab.
    Lester schien bester Laune zu sein. Während er sich eine Pfeife stopfte, lobte er die Qualität des Bettes im Gästezimmer. Schon lange habe er nicht mehr so gut geschlafen.
    Ich überlegte kurz. Sollte ich Lester darauf hinweisen, dass Gonzo und ich für die Küche ein Rauchverbot beschlossen hatten? Doch dann dachte ich an die Gepflogenheiten in Lesters Heimatland. Wer weiß, was man dort mit Gastgebern tat, die ihren Gästen das Rauchen verboten.
    Lester legte die gestopfte Pfeife neben sich und roch etwas misstrauisch an dem Müsli, das vor ihm stand.
    Er versuchte vorsichtig einen Löffel. Es schien ihm zu schmecken. Er aß mit großem Vergnügen.
    "Dieser Geschmack“, sagte er, „“erinnert mich ein wenig an das Essen bei den Ureinwohnern in Morongo. Ich hatte aus beruflichen Gründen dort zu tun. Die Spezialität der Ureinwohner auf dieser Insel ist eine Art Brei, ganz ähnlich diesem hier. In diesem Brei sind Reis, Hafer und die Gehirnteile von getöteten Feinden zu einem ganz ausgezeichneten Essen gemischt. Wirklich außergewöhnlich."
    Gonzo verschluckte sich und musste husten. Lester klopfte ihm heftig auf den Rücken. Ich erinnerte mich nicht, eine Folge geschrieben zu haben, wo eine Insel Morongo vorgekommen war. Aber vielleicht war dieses Abenteuer eines, das zwischen den Zeilen geschehen war.
    Als wir mit dem Müsli fertig waren, zündete sich Lester seine Pfeife an. Ich schenkte ihm noch eine Tasse Kaffee ein. Er schlürfte daran, hob dann die Tasse hoch.
    "Das ist wohl der beste Kaffee, den ich je getrunken hatte." Er nahm noch einen Schluck.
    "Was hast du denn jetzt so vor?" Ich versuchte, meine Frage möglichst beiläufig zu stellen.
    Lester stellte seine Tasse zurück auf den Tisch. Seine Pfeife legte er daneben und fing an, in seinen Hosen nach etwas zu suchen. Schließlich zog er ein völlig zerknittertes Papier heraus, das er auf dem Tisch legte und vorsichtig glatt strich.
    „Wir werden heute Abend auf eine Party gehen“, sagte er.
    Er reichte mir das Papier. Es war eine Einladung zu einer Feier in den Räumen des Kostar-Verlags. Ich wusste davon, auch ich hatte eine Einladung bekommen, der Verlag feierte sein vierzigjähriges Bestehen.
    Gonzo griff sich die Einladung.
    „ Weißt du davon?“ fragte er mich.
    „ Natürlich, aber eigentlich wollte ich da nicht hingehen.“
    „ Wir müssen dorthin“, sagte Lester. „Es hätte furchtbare Konsequenzen, wenn wir nicht dorthin gingen. Aber vorher wirst du mir ein wenig von der Stadt zeigen.“
    Bei diesen Worten hatte er sich an mich gewandt.
    „Ich soll für dich den Fremdenführer spielen?“
    Lester nickte.
    "Aber ich hab heute viel

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