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Das Buch der verlorenen Dinge

Das Buch der verlorenen Dinge

Titel: Das Buch der verlorenen Dinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Connolly
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deinem ganzen Körper ausbreiten und Zelle um Zelle infizieren, bis du die Ärzte anflehst, dich zu erlösen, dich sterben zu lassen, aber das werden sie nicht tun. Du wirst dahinsiechen, und niemand wird deine Hand halten oder dir über die Stirn streichen, wenn der Tod kommt und dich in sein dunkles Reich holt. Das Leben, das du zurückgelassen hast, ist überhaupt kein Leben. Hier kannst du König sein, und ich werde dir gestatten, in Würde und ohne Schmerzen zu altern, und wenn für dich die Zeit kommt zu sterben, werde ich dich sanft in den Schlaf sinken lassen, und wenn du aufwachst, wirst du im Paradies deiner Wahl sein, denn jeder Mensch erträumt sich seinen eigenen Himmel. Alles, was ich im Gegenzug von dir verlange, ist, dass du mir den Namen des Kindes in eurem Haus nennst, damit du hier Gesellschaft hast. Sag ihn mir! Sag ihn mir jetzt, bevor es zu spät ist.«
    Während er sprach, bewegte sich auf einmal der Wandbehang hinter dem Thron, und eine graue Gestalt kam hervor und stürzte sich auf den nächststehenden Wachmann. Der Kopf des Wolfes senkte sich, ruckte hin und her und zerfleischte dem Mann die Kehle. Der Wolf stieß ein lautes Geheul aus, bis die Pfeile der Wachen auf der Galerie ihm das Herz durchbohrten. Immer mehr Wölfe strömten durch den geheimen Gang herein, so viele, dass der Wandbehang sich löste und in einer Staubwolke zu Boden fiel. Die Grauen, Lerois treueste und erbarmungsloseste Krieger, stürmten den Thronsaal. Ein Hornsignal erschallte, und von allen Seiten kamen Soldaten herbeigelaufen. Ein wüster Kampf brach aus. Die Soldaten hieben mit Schwertern und Lanzen auf die Wölfe ein, um ihren Ansturm zurückzudrängen, während die Wölfe mit gefletschten Zähnen zuschnappten und jede Lücke in der Verteidigung nutzten, um die Männer zu töten. Sie verbissen sich in Beine und Arme, rissen Bäuche auf und zerfetzten Kehlen. Bald war der Boden blutüberströmt, und rote Rinnsale flossen zwischen den Steinplatten hindurch. Die Soldaten hatten sich im Halbkreis um den Geheimgang aufgestellt, doch die schiere Masse der Wölfe drängte sie zurück.
    Der Krumme Mann deutete auf das kämpfende, tobende Gewühl aus Männern und Wölfen. »Siehst du!«, rief er David zu. »Dein Schwert wird dich nicht retten. Das kann nur ich. Sag mir seinen Namen, und ich werde dich im Handumdrehen von hier wegzaubern. Sprich, dann bist du gerettet!«
    Jetzt bekamen die Grauen Verstärkung von schwarzen und weißen Wölfen. Immer mehr von ihnen schoben sich an den Wachen vorbei und gelangten in die Burg, wobei sie jeden töteten, der sich ihnen in den Weg stellte. Der König sprang von seinem Thron und blickte entsetzt auf die Mauer aus Soldaten, die von dem Rudel immer weiter auf ihn zu gedrängt wurde.
    Da erschien der Hauptmann der Wache an seiner Seite. »Kommt, Euer Majestät«, sagte er. »Wir müssen Euch in Sicherheit bringen.«
    Doch der König stieß ihn beiseite und starrte wütend den Krummen Mann an. »Du hast uns verraten«, sagte er. »Du hast uns alle verraten.«
    Der Krumme Mann beachtete ihn nicht. Seine Aufmerksamkeit war ganz auf David gerichtet. »Den Namen«, sagte er erneut. »Sag mir den Namen.«
    Hinter ihm durchbrachen die Wölfe die Mauer aus Soldaten. Unter ihnen waren Neuankömmlinge, die auf den Hinterbeinen gingen und Soldatenuniformen trugen. Die Loups hieben mit ihren Schwertern auf die Wachen ein und kämpften sich den Weg zur Tür des Thronsaals frei. Zwei von ihnen verschwanden sofort den Flur hinunter, gefolgt von sechs Wölfen. Sie waren auf dem Weg zum Burgtor.
    Dann trat Leroi aus dem Geheimgang. Er betrachtete das Blutbad vor sich, dann sah er den Thron, seinen Thron, und er stieß ein allerletztes Wolfsheulen aus, das seinen Triumph bekundete und den König erzittern ließ. Ihre Blicke trafen sich, und Leroi näherte sich dem König, um ihn zu töten. Der Hauptmann der Wache versuchte immer noch, den König zu schützen. Er hielt zwei Graue mit seinem Schwert in Schach, doch es war deutlich zu sehen, dass seine Kräfte nachließen.
    »Flieht, Euer Majestät!«, rief er. »Flieht, schnell!«
    Doch seine Worte erstarben in einem Gurgeln, als ein Pfeil seine Brust traf, abgeschossen von einem der Loups. Der Hauptmann stürzte zu Boden, und die Wölfe fielen über ihn her.
    Der König griff in die Falten seines Gewandes, zog einen kunstvoll geschmiedeten goldenen Dolch hervor und stürzte sich auf den Krummen Mann. »Du elende Kreatur«, brüllte er. »Du hast mich

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