Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
zu gelangen und mir den Armreif zu holen. Für den Fall jedoch, dass ich es nicht schaffte .. . immerhin bestand die Chance, dass du eine bessere Ausgangslage haben würdest als ich. Verstehst du?«
Samuel war wie betäubt.
»Du ... du hast das alles geplant.. . Die Münze bei Max, der Roman von William Faulkner und der ganze Rest. . . Nicht um von mir im Notfall gerettet zu werden, sondern damit ich den Armreif stehlen konnte, wie es in dem Brief des Botschafters stand!«
»Ich hoffte wirklich, es allein zu schaffen«, verteidigte sich Allan kleinlaut. »Wirklich! Dieser Armreif ist unendlich viel wert, Sam.«
»Ja, eine Million Dollar, das hast du selbst auf der letzten Seite deines Notizbuchs vermerkt!«
»Ich war überzeugt davon, dass du, wenn du in der Lage wärst, dieses Rätsel zu entschlüsseln, auch den Rest schaffen würdest! Alle Prüfungen bestehen! Und ich habe doch recht behalten, oder etwa nicht?«
Samuel war so entsetzt, dass ihm die Worte fehlten. Sein Vater hatte gewollt, dass er Merwosers Armreif stahl! Er hatte sein eigenes Leben und das seines Sohnes aufs Spiel gesetzt, um an das Geld zu kommen! War er wirklich schon derartig abgedreht?
»Aber warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen, bevor du verschwunden bist? Warum hast du dich einfach so, ohne ein Wort, davongemacht, ohne . . .«
Lautes Geschrei aus Richtung der Mühle unterbrach ihn. Die Steine auf der Bodenplatte hatten die Soldaten nicht lange aufhalten können. Dem Lärm nach zu urteilen, der von der Lichtung her zu ihnen drang, waren es ziemlich viele. Hundegebell mischte sich in ihr Gebrüll.
»Hunde!«, stöhnte Sam. »Sie werden ihre Hunde auf uns hetzen!«
Er beschleunigte seine Schritte, den Vater halb tragend. Immer dunkler wurde es jetzt im Wald, doch die brennende Fackel hätte sie nur verraten. Er löschte sie an einem Baum und warf sie hinter sich.
Wie weit war es noch? Auf welcher Höhe befand sich der Stein? Wenn sie ihn nicht verfehlen wollten, mussten sie unbedingt ans Flussufer zurückkehren . . .
Sie durchquerten ein Gewirr aus Zweigen und Gestrüpp, bis sie den Flusslauf neben sich hatten. Wieder im offenen Gelände, hatte Sam das ungute Gefühl, dass ihnen die Hunde mittlerweile dicht auf den Fersen waren.
»Eine Münze mit Loch hast du nicht zufällig in Reserve, Papa?«
Allan war vollkommen außer Atem. Seit sie die Mühle verlassen hatten, bekam er immer schlechter Luft. Zudem war er so abgemagert, dass Sam beinahe Angst hatte, ihm die Rippen zu brechen, wenn er ihn so festhalten musste.
»Du brauchst deinen alten Vater also doch noch, was?«, murmelte Allan mit einem gequälten Lächeln. »Lektion Nummer eins, Sammy, man muss immer eine Münze in der Nähe des Steins vergraben!«
»Du machst doch jetzt keine Witze, oder? Liegt neben dem Stein wirklich eine Münze?«
»Wenn ich es dir doch sage ... Du musst noch eine ganze Menge lernen, mein Sohn!«
Samuel war, als würden ihm Flügel wachsen. Sie würden die Münze finden, die Soldaten würden sie nicht einholen, und sie hätten alle Zeit der Welt, mithilfe des Sonnensteins von hier zu verschwinden!
Das nahe Geheul eines Hundes schien das Gegenteil zu verkünden.
Noch knapp hundert Meter, und Sam erkannte die Stelle wieder: das Schilfrohr, die große Tanne mit den abgebrochenen Ästen . . .
»Da ist der Stein!«, jubelte er. »Und er ist noch ganz! Weißt du noch, wo die Münze liegt?«
Allan wies mit einer vagen Handbewegung auf eine kleine Böschung oberhalb des Flusses. Samuel zwang ihn, sich hinzusetzen, und begann wie ein Wahnsinniger in der Erde zu wühlen. In den letzten sechs Monaten war die Stelle ziemlich zugewuchert.
»Du darfst mit Fug und Recht böse auf mich sein, Sam«, begann Allan, und es klang, als wolle er ein Geständnis ablegen. »Ich habe nicht wie ein guter Vater gehandelt. Ich weiß selbst – seit dem Tod deiner Mutter bin ich ... bin ich wie in einer anderen Welt. Du hast dich bestimmt gefragt, was ich die ganze Zeit getrieben habe, anstatt mich um dich zu kümmern!«
»Stell dir vor, das habe ich mir schon selbst zusammengereimt«, antwortete Sam und bemühte sich, möglichst neutral zu klingen. »Grandpa hat mir erzählt, dass du Geldsorgen hattest und . . . Na ja, und ich kann mir vorstellen, all diese Bücher, die ganzen Schätze, das war sicher verführerisch . . .«
»Die ganzen Schätze? Welche Schätze? Du glaubst, ich habe das alles wegen Geld getan? Ich mache mir nichts aus Geld, das weißt du
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