Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
geistesgegenwärtig.
»Das sagt mir gar nichts«, sagte der Kahlköpfige und fuchtelte mit seinem Stock. »Hat Petrus euch etwa für das Ende der Saison gekauft?«
»Ja, Petrus«, bestätigte Lili ungerührt.
»Na, dann hoffe ich nur, dass ihr mich kein Vermögen gekostet habt, ihr dreckigen kleinen Faulpelze! Diese Sklaven heutzutage sind wirklich nicht mehr ihr Geld wert! Also, Julius, du hast eine halbe Stunde, um das Rad zum Laufen zum bringen. Und was euch angeht. . .«
Er versetzte Sam einen weiteren Hieb mit dem Stock:
»An die Arbeit, aber ein bisschen plötzlich!«
Weiter auf sie einschimpfend führte Corvus sie durch die Kellergewölbe bis zu einer Steintreppe, die sie ans Tageslicht brachte. »Meine Güte!«, hauchte Lili.
Sie befanden sich auf einem weiträumigen rechtwinkligen Grundstück, das rundherum von Säulengängen und Steingebäuden eingeschlossen wurde und dessen Mitte aus einer sattgrünen Rasenfläche unter freiem Himmel bestand. Wenn man über die Dächer hinausblickte, erkannte man in der Ferne einen Berg, an dessen unteren Ausläufern einige Felder angelegt waren. Obwohl die Sonne noch nicht sehr hoch stand, war es bereits angenehm warm. Es versprach ein schöner Morgen zu werden . . . Einige Bedienstete, in schlichte weiße Tuniken gekleidet, liefen geschäftig, mit Tüchern, Obstschalen oder Amphoren beladen, von einer Tür zur anderen. Corvus drohte ihnen wieder mit dem Stock und wies auf einen Raum zu seiner Rechten.
»Ihr zieht euch jetzt sofort um und nehmt unverzüglich euren Platz ein. Petrus müsste gleich da sein. Bis dahin werde ich euch im Auge behalten!«
Um seine Worte zu unterstreichen, ließ er den Stock über ihren Köpfen kreisen, und ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
»Was schlägst du vor?«, flüsterte Lili auf dem Weg zur Waschküche.
»Wir müssen unbedingt ein paar Münzen auftreiben«, raunte Sam zurück. »Der Stein hat funktioniert, das heißt, dass es in der Nähe mindestens eine geben muss. Wo sind wir hier eigentlich, was meinst du?«
»Sieht nach öffentlichen Bädern aus, Thermen. Die gab es überall im Römischen Reich. Die Menschen gingen dorthin, um sich zu waschen und um Geschäfte zu machen.« Eine freundliche, matronenhafte Frau empfing sie mit einem breiten Lächeln.
»Na, meine Kleinen, seid ihr neu bei uns?«
»Ja, Petrus hat uns ganz frisch gekauft«, erklärte Sam.
»Sehr schön, an diesen Tagen können wir jede Hilfe gebrauchen. Ihr braucht sicher saubere Sachen, nicht wahr?«
Sie nahm zwei von den Tuniken, die entlang der Wände aufgestapelt lagen, und reichte sie ihnen.
»Von der Größe her müssten die hinkommen. Aber ihr solltet euch lieber beeilen, wir öffnen bald. Hat man euch erklärt, was ihr zu tun habt?«
»Noch nicht.«
»Ah! Natürlich, dieser Nichtsnutz Petrus ist noch nicht da! Du, meine Kleine, gehst einfach zu den Frauen, am Ende der Palästra. Dort fragst du nach Alvina. Was dich betrifft, mein Junge, die Umkleidekabinen der Männer sind gleich nebenan. Der alte Trimalchion wird dir alles erklären.«
Mit ihrer neuen Uniform ausgestattet gingen die beiden hinaus und beratschlagten, was sie tun sollten.
»Und wenn wir sofort wieder zurückreisen?«, schlug Lili vor.
»Nein, wir brauchen neue Münzen, das ist lebenswichtig. Außerdem ist der Arbeiter, der das Rad reparieren soll, bestimmt immer noch dort unten beim Sonnenstein. Lass uns warten, bis . . .«
Etwas knallte laut unter den Marmorwänden der Säulenhalle.
»Beim Jupiter«, brüllte Corvus außer sich und stampfte auf dem Boden auf, »lungert ihr etwa immer noch hier herum?« Wenn man Sam gefragt hätte, was er später einmal werden wolle – oder besser gesagt, zweitausend Jahre früher -, hätte er ohne Zögern geantwortet: »Auf jeden Fall kein Badejunge in einer römischen Therme.« Auf den ersten Blick schien die Arbeit leicht bewältigbar, erwies sich in der Praxis aber als ziemlich ermüdend. Nachdem ihm Trimalchion, ein schwarzer Sklave, dem zwei Finger fehlten, die Grundbegriffe seines neuen Berufes beigebracht hatte, wurde Sam ohne Überleitung und im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser geworfen.
Für den Anfang wies man ihm einen Platz in den Umkleidekabinen zu, wo sich die zahlreichen Besucher umzogen: Er musste nur ihre Kleidung entgegennehmen, sie in Ablagefächerpacken und zum Austausch Handtücher herausgeben. Leicht... Im Vorbeigehen befand Corvus jedoch, dass es für einen kräftigen Jüngling seiner Statur
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