Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
bessere Einsatzmöglichkeiten gab. Sam wurde daraufhin ins Caldarium geschickt, ein heißes Dampfbad, die frühe Form einer Sauna, wo er für die Säuberung des Warmwasserbeckens – eher Heißwasserbeckens – zuständig war, das er mit einem rauen Wischlappen schrubben musste. Unter dem Putzen des Beckens stellte Sam fest, dass auf dem Mosaik an der rückwärtigen Wand eine schöne weiße Lyra abgebildet war, die von einem halb nackten Paar gehalten wurde. Eigentlich nichts Aufsehenerregendes, außer dass das Instrument die Form von zwei nach außen gebogenen Hörnern hatte, die in ihrer Mitte einen Kreis umschlossen! Das Symbol von Arkeos mitten in einer römischen Therme!
Aufgerüttelt ließ Sam sein Wischtuch fallen und suchte Trimalchion auf: »Entschuldigt bitte, aber das Mosaik am Warmwasserbecken, wisst Ihr, wer es gemacht hat?«
»Der Mann und die Frau mit der Lyra dort? Es ist vor ein paar Jahren erneuert worden. Octavius, ein hiesiger Künstler war damit beauftragt. Warum, ist eine der Scherben beschädigt?«
»Nein, ich finde es nur sehr gelungen. Gibt es davon hier in der Therme noch mehr?«
Trimalchion überlegte einen Moment.
»Ein Mosaik wie dieses, nein, ich glaube, es ist das einzige. Wenn ich es recht bedenke, fällt mir ein, dass nicht Octavius selber die Idee hatte, sondern einer seiner Arbeiter. Ein merkwürdiger Geselle, der von heute auf morgen einfach verschwunden ist, ohne seinen Lohn einzustreichen. Aber da das Motiv bereits komplett skizziert war und es dem Meister offenbar gefiel . . . Scheint so, dass diese Art von Lyra Glück und Wohlstand bringt... jedenfalls, soviel ich weiß! Gut«, setzte er leise hinzu, »du solltest dich lieber um deine Arbeit kümmern, Corvus kommt zurück . . .«
Und in der Tat, als dieser entdeckte, dass Sam seinen Posten verlassen hatte, schickte er ihn zur Strafe auf die Palästra mit einer Aufgabe, die dieser sich selbst in seinen schlimmsten Albträumen nicht hätte ausmalen können. Eine halbe Stunde lang musste er draußen mit einem Topf herumspazieren, in den sich die Männer während des Ringkampftrainings oder eines Ballspiels in den Pausen erleichterten. Er hatte dann den Urin in ein etwas abseits gelegenes Becken zu gießen, dessen Inhalt die Bleicher zum Wäschewaschen benutzten – die Wäsche mit Urin waschen, also wirklich, da durfte man nicht zimperlich sein!
Kurzum, Samuel diente als mobile Toilette . . .
Nach einer Weile wurde die Versuchung jedoch zu groß, und er riskierte einen Blick in Richtung der Treppe, die in die Kellergewölbe führte. Das hölzerne Rad war wieder funktionstüchtig: Es diente in der Tat zum Wasserschöpfen und füllte ein Reservoir, das wiederum die Thermen mit Wasser versorgte. Wenn sich das Rad jetzt wieder, knarrend wie eine alte Tür, drehte, hieß das aber auch, dass der Handwerker, der mit seiner Reparatur beauftragt war, seine Arbeit beendet hatte . . .
Unten auf der letzten Treppenstufe angekommen, frohlockte Sam jedoch nicht mehr: Ein verrostetes Gitter versperrte den Eingang zum Keller – und damit den Zugang zum Sonnenstein!
»Du schon wieder!«, plusterte Corvus sich auf, als er Sam wieder auftauchen sah. »Was führst du denn schon wieder im Schilde?«
Dieses Mal setzte es zwei Stockhiebe, bevor Sam auf der Stelle in den Feuerraum geschickt wurde, der in dem Ruf stand, der schlimmste Ort der ganzen Therme zu sein. In der unteren Etage warteten zwei schwarze Sklaven auf ihn, zwei Kolosse mit schweißglänzender Haut, die mit ihren kräftigen Armen Holzscheite in das große Feuer warfen. Über diesem Feuer stieg aus riesigen Kesseln brennend heißer Dampf auf, der durch ein Leitungssystem zum Caldarium gelangte, um es aufzuheizen. Hier unten herrschte eine Hitze wie in der schlimmsten Hölle!
»Macht ihn ordentlich müde«, befahl Corvus den beiden Sklaven. »Dieser Junge muss lernen, wer hier der Herr ist!«
Die beiden Männer traten ein Stück zurück, während Sam nach dem ersten Holzscheit griff. Doch sobald Corvus ihnen wieder den Rücken zuwandte, nahmen sie es ihm aus der Hand.
»Dem alten Raben fällt auch nichts mehr ein«, seufzte einer und wischte sich die Stirn. »Du wirst es in diesem Backofen nicht lange aushalten. Stell dich lieber da rüber.«
Glücklich über die unverhoffte Wendung wollte Sam sich gerade auf einem krummbeinigen Hocker niederlassen, als plötzlich die Erde unter seinen Füßen erzitterte. Bevor er wusste, wie ihm geschah, fand er sich auf dem Boden wieder
Weitere Kostenlose Bücher