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Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen

Titel: Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillaume Prevost
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mehr zu essen! So hat Der-von-weit-her-kommt gesprochen! Und so muss der Clan es machen!«
    Samuel wusste nicht, was ihn mehr erschreckte: das zerstörte, vernarbte Auge des Alten, sein abstoßender Mundgeruch oder das, was die Spitze seines Stocks zierte: ein schwarzer Knochen in Form von zwei geschwungenen Hörnern, die eine runde schwarze Muschel umschlossen. Genau wie das seltsame große U bei den Hirschbildern an der Höhlenwand!
    Der Erzähler schaltete sich ein:
    »Jetzt hör mal, Totenauge, ich war selbst nur ein Kind, als Der-von-weit-her-kommt unseren Clan besucht hat. Er ist nie wieder aufgetaucht und viele unserer Väter haben gesagt, er sei gefährlich.«
    »Er war gefährlich, ja, das stimmt, aber er besaß die Kraft!«, keuchte der Alte. »Er hätte Schöne-Zähne mit nur einem Blick niederwerfen können und den ganzen Clan mit ihm! Deshalb muss man ihm gehorchen und all jene töten, die sich dem Mutterstein nähern! Sonst wird er wiederkommen und uns alle umbringen!«
    Samuel überlegte gerade, dass es vielleicht an der Zeit sein könnte, den Mund aufzumachen, als ein schriller Schrei ertönte.
    »Anianiii!«
    Die beherztesten unter den Männern stürzten zu ihren Speeren, während Totenauge Sam beim Kragen packte und ihn am Weglaufen hinderte.
    »Igba anianiii!«
    »Oben in der Höhle!«, rief die prähistorische Mrs Pinson. »Das Kind-des-Bären! Lasst das Kind-des-Bären los!«
    Ein gehörnter Dämon erschien plötzlich zwei Meter oberhalb der Flammen, einen Fuß ins Leere gestreckt. Der Jäger legte seine Waffe an, doch der Erzähler hielt ihn zurück. Die Erscheinung war wirklich grauenhaft mit ihrer ohrenbetäubend schrillen Stimme, dem von Fellfetzen bedeckten Körper, dem Blut, das ihr über die Arme rann und vom Kinn tropfte, und dem ausgeblichenen Bärenschädel anstelle des Kopfes. Der rot-gelbe Widerschein der Flammen, gepaart mit dem blassen Licht des Vollmonds verlieh ihr einen überirdischen Schimmer.
    »Blitz und Feuer komme über euch, wenn ihr das Kind-des-Bären nicht freilasst!«
    Verängstigt wichen die Stammesmitglieder zurück. Einige hielten sich die Ohren oder die Augen zu. Selbst der mutige Jäger schien nicht mehr sicher zu sein, ob er die fürchterliche Gestalt wirklich angreifen sollte.
    Sam hingegen hatte, trotz des fremdartigen Akzents, unter dem Schädel und den Fellstreifen, die den Mutterstein bedeckt hatten, auf den ersten Blick seine Cousine erkannt . . . Lili war gekommen, um ihn zu retten!
    »Lass ihn los, Totenauge«, forderte der Erzähler.
    Dieser folgte, wenn auch widerwillig, seiner Anweisung, und Sam war mit einem Satz auf den Beinen und stürmte den schmalen Pfad zu der Anhöhe hinauf. Lili schleuderte weiter wütende Verwünschungen auf die verängstigte Truppe zu ihren Füßen:
    »Blitz und Feuer komme über jeden, der es wagt, den Geist des Großen-Männchens-das-sich-aufrichtet zu stören!« Offenbar hatte die Drohung ihre Wirkung nicht verfehlt, denn als die beiden ihre Beine in die Hand nahmen und das Weite suchten, machte niemand Anstalten, ihnen zu folgen.
    »Schnell!«, zischte Lili, während sie Sam ins Halbdunkel führte. Ohne sich umzudrehen, rannten sie, bis sie nach ungefähr dreihundert Metern in die Höhle der Geister gelangten. Erst als sie wieder beim Sonnenstein waren, legte seine Cousine den Schädel und die Fellfetzen ab und platzierte sie beinahe andächtig neben der Lampe. Ihr von oben bis unten blutbeflecktes Hemd sah aus, als habe sie im Blut des Bären gebadet. Samuel war sprachlos . . .
    Wie er so überhaupt nicht reagierte, nahm sie eine der beiden Münzen aus der Vertiefung des Steins und drückte sie ihm unnachgiebig in die Hand:
    »Schnell, Sammy!«
    Sie hatten ohnehin keine Wahl. Samuel platzierte die Münze mit dem Widderkopf in der Sonnenscheibe und betrachtete die Spuren, die der Bär hinterlassen hatte: die tiefen Kratzspuren seiner scharfen Klauen, die großen Absplitterungen. Der Bär hatte offenbar mit aller Gewalt versucht, den Stein zu zerstören. Aber wozu?
    Sobald das Summen des Steins stark genug war, umfasste Sam die Taille seiner Cousine und drückte sie an sich, so fest er konnte. Dann erst legte er seine Hand auf die Rundung des Steins.
     
    X.

Sklaven
     
    Samuel und Lili knallten, zu einer Kugel zusammengerollt, mit lautem Widerhall auf einen harten Untergrund. Lili blieb noch einen Augenblick zusammengekrümmt und mit umgedrehtem Magen auf dem Boden liegen, während Sam krampfhaft die Orientierung

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