Das Buch der Zeit Band 2: Die Sieben Münzen
für Geschäfte hineingezogen! Bald werde ich doch noch Rudolf glauben!«
»Haben sie irgendwelche Sachen mitgenommen?«, fragte Sam unbeeindruckt.
Grandpa sah aus, als stünde er kurz vor einem Schlaganfall.
»Ach so, du willst wissen, was sie in deinem Versteck gefunden haben? Du hast anscheinend wirklich kein moralisches Empfinden, mein armer Junge!«
Grandma versuchte ihn zu beschwichtigen.
»Beruhige dich, Donovan, denk an deinen Blutdruck. Aber ja«, fuhr sie an Sam gewandt fort, »sie haben ein paar Papiere mitgenommen und deinen Computer. Es ginge um irgendwelche Schwarzmarktgeschäfte, haben sie gesagt. Aber sie irren sich doch, nicht wahr, Sammy?«, fragte sie mit flehentlicher Stimme.
»Natürlich irren sie sich!« »Hätten der Herr also die Güte, uns zu erklären, was sein Handy im Museum zu suchen hatte?«, fragte Grandpa.
Samuel sah von einem zum anderen. Nüchtern betrachtet gab es kein Zurück mehr. Die Polizei war hinter ihm her, Tante Evelyn würde bald seine exemplarische Bestrafung verlangen, doch er würde seine ganze Freiheit brauchen, um seinen Vater zu retten. Er brauchte Verbündete . . . Und wer könnte ihn besser beschützen als seine Großeltern? Also beschloss er, die Flucht nach vorn anzutreten.
»Seid ihr bereit, mir eine Viertelstunde zuzuhören, ohne mich gleich anzuschreien?«
Sie setzten sich um den Wohnzimmertisch, und Sam begann ihnen alles zu erzählen. Fast alles . . . Die kritischen Stellen ließ er aus, so zum Beispiel die Sache mit den Wikingern oder die mit dem Alchemisten von Brügge, der ihn mit dem Messer bedroht hatte. Auch den Bären in der Höhle überging er lieber. An der letzten Station ihrer Reise – Chicago – angelangt, spürte Sam, wie sich sein Großvater nur noch mit Mühe zurückhalten konnte. Kaum hatte er geendet, schlug Grandpa sich mit der Faust auf den Oberschenkel.
»Das ist doch unfassbar! Lauter leeres Geschwätz! Durch die Zeit reisen! Etwas Besseres konntest du dir wohl nicht zu deiner Verteidigung ausdenken? Wenn du glaubst, dass die Polizei dir auch nur einen Bruchteil dieses Unsinns abnimmt, irrst du dich aber gewaltig!«
»Chicago, das Feinkostgeschäft Faulkner«, versicherte Lili. »Ich war da, Grandpa, ich habe es selbst gesehen! Was Sam gesagt hat, ist wahr!«
»Ihr macht wohl Witze? Er hat neulich auf dem Dachboden herumgestöbert, hat das alte Fotoalbum ausgegraben und sich eine Geschichte zusammengesponnen! Das sind doch alles Halluzinationen, sicher von dem ganzen Rauschgift!«
»Du wirst doch nicht behaupten, dass du nie im Hinterhof des Ladens mit deinem Zug gespielt hast!«, protestierte Sam.
»Alle Kinder haben in jener Zeit Eisenbahn gespielt, in ihrem Hinterhof, wenn sie einen hatten.«
»Und wir? Du musst dich doch an uns erinnern! Lili hat drei Tage krank im Gästezimmer gelegen. Du bist sogar am letzten Morgen mit uns zum Bahnhof gegangen, hast dir eine Pacifik 231 angesehen und . . .«
»Die gab es damals auf jedem Bahnhof!«
Lili legte ihre Hand auf den Unterarm ihres Großvaters.
»Und Zeb? Erinnerst du dich an Zeb? Das kleine Plüschzebra . . .«
Grandpa zögerte eine Sekunde. Er wollte schon etwas Bissiges antworten, doch dann schien er sich langsam zu besinnen.
»Zeb«, wiederholte er abwesend, »ja, Zeb, es war schwarz-weiß mit Zickzackstreifen. Ich hatte es immer auf meinem Bett, ich erinnere mich, und . . . Aber woher wisst ihr das?«
»Weil wir dort waren«, versicherte Sam.
»Das muss eine . . . eine Art Traum sein«, überlegte Grandpa. »Bestimmt wache ich gleich auf, nicht wahr? Niemand kann durch die Zeit reisen, oder? Vor allem nicht ihr! Nein, das ist unmöglich ... Samuel und Lili«, murmelte er. Er schwieg eine ganze Weile, und die Kinder hüteten sich, ihn aus seinen Gedanken zu reißen. Dann plötzlich blickte er sie auf eine Weise an, als wäre der Schleier vor seinen Erinnerungen zerrissen.
»Samuel und Lili, ja, ich hatte ihre Namen vergessen . . . Ich war noch so klein! Aber das Mädchen war krank, das stimmt, jetzt erinnere ich mich wieder. Und der Junge ...«
Er rieb sich die Tränen aus den Augen, die plötzlich seinen Blick trübten.
»Ihr . . . ihr habt recht. Die Geschichte mit den beiden Kindern, die zu uns kamen . . . Sie waren älter als ich, ja, jetzt sehe ich ihn wieder vor mir, mit seiner Golfhose und den orange-gelben Sachen. Das Gesicht ist jedoch wie verschwommen ... es ist verrückt . . . Ich muss mich bei dir entschuldigen, Sammy, ich hätte nicht an dir
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