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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Zahn verzichtete mittlerweile zwar auf allzu arges Protzgebaren, wie er das in früheren Jahren gerne getan hatte, war durch die schrecklichen Geschehnisse um seine wahnwitzige Tochter vor zwei Jahren zurückhaltender geworden, doch eine selbstgerechte Eigenart besaß er noch immer – und die lag Matthias einfach nicht. Und das nicht nur wegen des Verdrusses und der Unbill, den dieser seinerzeit seiner Schwester Barbara bereitet hatte. Sie redeten nicht über die Ereignisse von damals, als Zahns tolle Tochter Agnes Barbara angegriffen und verletzt hatte. Genau genommen sahen sie sich auch nicht. Zahn lebte in Hockenheim, Matthias mit seiner Familie in Reilingen, die Kinder in Heidelberg. Man hatte nichts miteinander zu schaffen.
    Und nun war er aufgetaucht und hatte sie zum Nachtmahl eingeladen. Matthias äugte zu Susanne, Zahns zweitem Eheweib, die Brot kaute und sorgenvoll wirkte. Natürlich. Philipp war ihr Sohn. Aus ihrer ersten Ehe. Die Kunde, dass man ihn in Gewahrsam genommen hatte, musste sie wie ein Schlag getroffen haben. Mit ihr kam Matthias besser zurecht, wenngleich auch sie nicht zu seinen Lieblingen gehörte.
    Augenblicklich schwiegen alle und widmeten sich dem Essen, lauschten dem Stimmengewirr der Unterhaltungen um sie herum. Matthias hatte Zahn bereits in der Wohnung – natürlich hatte er ihn heraufgebeten – erzählt, was er wusste. Hatte das Zusammentreffen mit Philipp vor der Kanzlei geschildert, dessen seltsames Gebaren, das niemand sich erklären konnte. Susanne zeigte sich bestürzt über Philipps Lüge bezüglich Hedwigs vermeintlicher Reise zur kranken Mutter, wieder und wieder schüttelte sie ungläubig den Kopf. Und ein ums andere Mal hatte sie die Hand auf Gundels Arm gelegt und „Es muss schrecklich für Euch sein!“ gemurmelt.
    Auf dem Weg hierher dann hatte Matthias den Kreis weiter gezogen, hatte sowohl sein Gespräch mit Herrn Belier dargestellt als auch die Worte von Philipps Vermieterin.
    Während auch er sich nun eine zweite Schale des scharf gewürzten Fleisches in dunkler Soße vollschöpfte – es schmeckte sehr gut –, nahm er das Gespräch wieder auf.
    „Philipps Freund Kilian wollte am Nachmittag eigentlich noch vorbeikommen. Man erzählte mir, er habe heute zu Philipp gewollt. Aber er kam nicht.“
    „Man ließ ihn sicher nicht zu ihm“, sagte Zahn und sah auf. „Die Hofgerichtsordnung verhält sich da nicht anders als die Landesordnung. Besuche sind nicht gestattet. Man ließ ja nicht einmal mich hinauf“, brummte Zahn.
    Schon schimmerte sie durch, die Selbstherrlichkeit des Zentgrafen. Weil er Vorsitzender des Zentgerichts war, erwartete er wohl eine Sonderbehandlung. Gut, er hätte die Wächter schmieren können. Wie allerdings jeder.
    „Andererseits war es schon leidlich spät, als ich in der Kanzlei mit Botenmeister Biber reden konnte.“ Zahn machte eine Handbewegung, die verdeutlichen sollte, dass es ihm auch so recht war. „Wollten ohnehin zu Euch in die Wohnung.“
    „Man wird Philipp am Montag vor das Hofgericht bringen“, sagte Susanne mit ihrer hellen Stimme. „Ich kann mir das gar nicht vorstellen!“
    „Ich kann nur hoffen, dass er sich besinnt und uns erklären wird, was vorfiel.“ Matthias senkte den Löffel und starrte in seine Schale. Die Wärme in der Schankstube, die unterschiedlichen Leute, das Mahl und die Gesellschaft, all das hatte für kurze Zeit das leere, betäubende Gefühl verdrängt, das in ihm hauste, tückisch wie ein eckiger, widerlicher Kobold, seit er sich so unvermittelt dem Verschwinden seiner Tochter ausgesetzt sah. Nun kam es wieder. Er schluckte und konnte nicht weiteressen.
    Zahn sah ihn an, und Matthias las überraschenderweise Mitgefühl in dessen Miene.
    „Wir gehen morgen zum Gottesdienst in Heiliggeist. Kommt auch.“
    Matthias sagte nichts. Zahns Augen sprachen von seinem eigenen Leid, als er leise sagte: „Anschließend gehen wir hinaus ins Spital – nach Agnes sehen.“
    Matthias senkte den Blick, er schluckte noch einmal, schob die halbleere Schale von sich. Er hatte einmal einen Falter gesehen, der hilflos im Glasgehäuse einer Laterne gefangen war und wieder und wieder verzweifelt mit leise raschelndem Klappern von innen gegen das Glas flatterte. Genauso fühlte er sich.

Neununddreißig
    Die hübsche Schankmagd stellte eine weitere Kanne auf den Tisch. Berts Trinkkumpan Laurens tätschelte dem jungen Weib bierselig den Hintern, diese lachte und warf den Kopf zurück, dass ihre rotblonden Locken

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