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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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flogen. Das schmale Kopftuch konnte diese Fülle nicht bändigen, und Hedwig ahnte, dass dies auch so gewollt war. Die Magd schüttelte seine Hand ab und tanzte zum nächsten Tisch, wo man bereits lauthals nach ihr rief. Worte flogen hin und her, blieben in den Geruchsschwaden nach Schmalz hängen, Satzfetzen, die Hedwig im Lärm nicht mehr richtig verstand. Ihr war warm. Das Feuer, das Bier, die vielen Menschen in der behaglichen Gaststube des Bierhelder Hofes – sie hatte wohl einen sitzen.
    Bert hatte darauf bestanden, dass sie und Ryss sich ihm und seinen Freunden zugesellten. Nachdem sie also ihre Sachen in den Zimmern untergebracht und sich gesäubert hatten – man hatte ihnen jeweils eine Kammer unter dem Dach zugewiesen, welch ein Reichtum! – hatten sie sich in der Gaststube eingefunden, um mit Bert und seinen Gefährten zu essen. Und zu trinken. Inzwischen drängten sie sich bestimmt zu zehnt am Tisch, die Gesichter verschwammen vor Hedwigs Blick. Ryss, der neben ihr saß, erschien ihr nicht mehr ganz so blass, doch ob das vom Fieber, vom Kerzenschein oder vom Bier herrührte – wer wusste es schon, und war es nicht gleich? Er saß da, er schmunzelte, und er hatte ebenso wie sie selbst mit Vergnügen die Würste und das Kraut verspeist, das man ihnen dampfend aufgetragen hatte. Unterdessen war Zeit hingegangen, ums Versehen stand eine neue Kanne Bier auf dem Tisch, und die Stimmung war ausgelassen. Auch Juli gefiel’s. Einer von Berts Freunden – Hedwig hatte seinen Namen vergessen – hielt sie auf dem Arm und ließ sie mit seinem langen, zotteligen Bart spielen, den sie in ihren kleinen Fäusten festzuhalten versuchte.
    Hedwig versuchte, wieder dem Gespräch zu folgen, das sich wohl gerade um Ryss drehte. Zuvor hatte er von Flandern erzählt, der flachen Landschaft und den reichen Händlern, die man auch in der Kurpfalz kannte. Nun schien es um England zu gehen. Da Ryss in London gelebt hatte, wurde er nach den Theatern befragt, von denen man allerhand hörte. So plätscherte die Unterhaltung dahin, und als Ryss einmal mehr genötigt wurde zu erzählen, wie es in seiner Heimat aussah, und Hedwig in Wort und Ausdruck die gleiche Liebe zu erkennen glaubte, die sie auch gestern gespürt hatte, konnte sie sich nicht zurückhalten. Angestachelt vom Bier sowie von der Neugier in den Gesichtern ringsum, die ihre eigene spiegelte, sagte sie: „Ich fragte Euch schon einmal, ob Ihr wohl zurückgehen werdet. Werdet Ihr, was meint Ihr?“
    Ryss sah unter sich. Er gab keine Antwort.
    „Na, Maid Hedwig, lasst ihn in der Kurpfalz bleiben, wir haben Platz für einen wackeren jungen Mann wie ihn!“, schallte es über den Tisch. Man stimmte zu, man lachte.
    Ryss verzog den Mund zu einem halbherzigen Grinsen, hob seinen Krug und nahm einen tiefen Schluck.
    Warum war er nur schon wieder derart verschlossen? Die ganze Zeit über hatte er sich unterhalten und getrunken. Weshalb hockte er jetzt so verriegelt da wie ein Schrank mit tausend Schlössern? Hedwig kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er darauf spannte, dass man ihm keine Beachtung mehr schenkte. Ja lieber Himmel, konnte er nicht wie alle Leute ein wenig gesellig sein und eine einfache Frage beantworten? Dieser Wunderdoktor! Dieser Schafskopf! Spitz fragte sie: „So wollt Ihr nur immer weiter umherwandern? Habt Ihr denn kein Ziel im Leben?“
    „Ziel?“ Ryss zog die Augenbrauen hoch.
    Er tat also belustigt, der Herr, nahm sie nicht ernst! Tausendmal schafsnäsiger Schafskopf! „Eine eigene Apotheke? Kein Ziel, für das es sich heimzukehren lohnt?“, bohrte sie weiter.
    „Nur Narren haben ein Ziel!“, zischte er ihr zu, dann hob er den Blick, zuckte die Schultern, lächelte und verkündete, nun mit freundlicher Stimme: „Ich wandere um des Wanderns, um des Genusses willen. Nein, ich habe kein Ziel.“
    Man brummte und verzog das Gesicht, man nuschelte Unverständliches oder kniff die Lippen zusammen.
    Ja, hörte nur sie allein den falschen Unterton? Am liebsten hätte sie ihn gepackt und geschüttelt. Sie umfasste ihren Bierkrug und sagte: „Das stimmt nicht.“ Sie deutete mit dem Finger auf ihn. „Ihr lügt Euch in die Tasche. Wenn Ihr ehrlich wärt, würdet Ihr zugeben, dass Ihr im Herzen krank seid vor Sehnsucht nach Car… Car… – nach Eurer Heimat!“ Sie nahm einen großen Schluck, knallte das tönerne Gefäß auf den Tisch und fragte: „Warum seid Ihr von dort weggegangen?“
    Ryss sah sie so durchdringend an, dass sie

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