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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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krampfhaft unter der Last dessen, der ihm unerbittlich auf dem Leib hockte. Rasend war er, wehrlos. Ausgeliefert, eine solche Schmach, ein solches Ende! Dann die Stimme in seinem Kopf: Nicht die Sinne schwinden lassen, nicht ergeben. Wut im Leib, in den zuckenden Beinen, wieder wand er sich, eingeklemmt, begriff, dass er Ruhe geben musste, erschlaffte – und wirklich: Kapuzenfresse stieg von ihm herab. Er zog den Arm heran, schlang die Hand fest um die andere, spürte das Blut warm aus der Wunde pochen, fühlte die Lücke, dort, wo einmal sein Ringfinger gewesen war. Durch Nebel hindurch hörte er den anderen sagen: „Dieses Pfand ist sicher wirkungsvoll genug, deinem Weib Einsicht zu vermitteln und sie zur Zusammenarbeit zu bewegen.“
    Ein leises Lachen, unerträglich, widerwärtig, abstoßend.
    „Und nun steh auf!“
    Philipp wälzte sich auf die linke Seite. Krümmte sich zusammen, presste die Arme fest an den Leib, hielt die verwundete Hand umschlungen. Zorn, uferlos. Er merkte, wie der, der auf ihm gesessen hatte, näher kam, um ihn zum Aufstehen zu bewegen. Philipp vermutete, dass der Zweite damit beschäftigt war, seinen Finger zu verwahren. Als Kapuzenfresse sich tief herabbeugte und ihn an der Schulter packte, um ihn umzudrehen, fuhr Philipp herum und rammte ihm im selben Augenblick das Knie ins Gemächt. Mit einem dumpfen Laut von Überraschung und Schmerz plumpste Kapuzenfresse wie ein Mehlsack in den Schnee. Philipp kam auf die Füße, wusste nicht wie, er hieb dem, der ihm den Finger abgeschnitten hatte, die Faust ins Gesicht, während der andere sich kniend die Eier hielt und dennoch aufzustehen versuchte. Philipp verlor keine Zeit. Mit einem gezielten Tritt in dessen Fresse brachte er ihn erneut zu Fall, dann lief er, hielt sich die verletzte Hand. Der andere fasste ihn am Mantel, er entglitt ihm, schlug einen Haken, wich Bäumen aus, rannte, stapfte, taumelte. Abwärts. Hinunter. Trotz seines Keuchens, trotz des Knirschens seiner Sprünge im Schnee hörte er das zischende Geräusch, als das Schwert aus der Lederscheide gezogen wurde. Er sah Hedwigs Gesicht vor sich und kämpfte sich weiter. So war sie ihnen entkommen? Waffe, er brauchte eine Waffe. Sein Blick zuckte umher. Tannen, wie stumme Wächter eines Schattenreiches. Vermaledeiter Schnee! Hedwig. Sie lebte! Sie lebte und hatte das Buch. Er hörte sich schnauben, röcheln, merkte, dass er nicht lange würde weiterrennen können. Schmerz pochte durch seine Hand, dass er toll zu werden meinte, dann wieder war er verschwunden, zur Gänze erloschen, als wäre alles an ihm heil. Er spürte die kalte Luft auf den Wangen, schlug einen weiteren Haken, stolperte, fing sich, hörte hinter sich ein Fluchen, das Reißen von Tuch. Weiter, obwohl die Beine nicht mehr wollten, weiter, dort war eine Senke, er hielt darauf zu, machte einen Satz und warf sich den Hang hinunter. Er kugelte, kollerte, überschlug sich. Schnee drang ihm ins Wams, kalte Rinnsale an Hals und Körper. Nicht anhalten, auch wenn es unmöglich schien! Er rappelte sich auf, stürzte voran. Rannte. Wagte keinen Blick zurück. Und dann, aus dem Nichts, ein weiterer Abhang, den er nicht gesehen hatte. Er war zu schnell, er war auf vorwärts ausgerichtet, er strauchelte, taumelte, riss die Arme empor – fiel.

Einundvierzig
    „Wir sollten sichergehen“, sagte Eitelfritz und rieb sich Schnee ins Gesicht. „Ich steig hinab und seh nach, ob er hin ist.“
    Massenfels starrte den Abhang hinunter, strich mit der Hand nachdenklich über den geschorenen Schädel. Wie tief ging’s hier abwärts? Zehn, fünfzehn Fuß? Zwanzig? Geäst, Gesträuch und Felskanten. Eine verschlungene graue Hölle, die in Schwärze mündete. Er strengte die Augen an. Finsternis. Dort? Doch ein lebloser Körper?
    „Hat mir die Eier eingetreten, der Scheißer!“ Eitelfritz neben ihm spuckte aus. „Und in die Fresse.“
    Massenfels starrte noch immer. Eitelfritz hatte recht. Man sollte sichergehen. Wäre der Knecht nicht von allein hinuntergestürzt, hätten sie ihn gestoßen. Aufschlitzen konnte man ihn nicht. Sollte ja nach Selbstmord aussehen. Und nach Teufelswerk. Hat sein Weib umgebracht aus Eifersucht, weil sie mit einem anderen auf und davon ist. Sie konnten der Geschichte hier und da mit einigen gemurmelten Gerüchten Nachdruck verleihen. Man stelle sich vor, wird irr daran, ruft den Teufel an in seinem Wahnwitz. Der Höllenfürst betäubt den Wächter, hilft dem Knecht raus aus dem Gefängnisturm. Lenkt ihn

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