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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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umschloss er die Linke mit der Rechten. Zog die Beine an und kauerte in gekrümmter Stellung.
    „Ein Seil wäre gut!“, hörte er eine Stimme so dicht über seinem Kopf, dass er erschrocken zusammenzuckte. Er sah hoch. Dort ragte eine Felsnase vor. Schnee rieselte herab.
    Weiter oben am Berg rief eine Stimme etwas, das er nicht verstehen konnte. Mit Mühe zog er sich dichter unter den Fels, versuchte, dabei nicht zu ächzen. Ihm war übel. Er zitterte. Er war nahe daran, erneut das Bewusstsein zu verlieren.
    „Da war etwas!“, hörte er die Stimme dicht über sich. „Ich glaube, da hat sich was gerührt!“
    Philipp hörte schweres Atmen. Ein Schneeklumpen plumpste mit dumpfem Plopp neben ihn.
    Er sah den Blutfleck in Höhe seines Knies, schob sich auf dem Hintern weiter gen Fels, wollte im Weiterrutschen Schnee drüber scharren, vergeblich, es gelang nicht, er war zu geschwächt, machte zudem zu viel Lärm.
    „Ich brech mir hier noch das Genick!“ Dann: „Scheiße!“
    Philipp spürte den kalten Fels im Rücken. Weiter zurück ging nicht. Er brauchte seine letzte Kraft, den unteren Teil des Mantels so fest es ging um die verletzte Hand zu wickeln. Dann drückte er sich an den harten Stein und schloss die Augen.
    Zum Henker, was trieb der Hundsfott dort unten? Er kniff die Augen zusammen, suchte deutlicher zu erkennen, was Eitelfritz schaffte. Schattenhafte Zerrbilder. Dann hörte er, wie er „Scheiße auch!“ ächzte, erkannte Bewegung. Schließlich schälte sich Eitelfritz’ Gestalt aus dem Dämmer.
    „Ich glaub, ich hab Blut gesehen“, rief er zu ihm herauf, begann den Aufstieg. Keuchte: „Da ist ein scharfer Vorsprung. Der muss über den drübergestürzt sein. Soweit ich erkennen kann, geht’s dahinter noch einmal lustig abwärts. Ohne Seil und im Dunkeln vermögen wir da nichts auszurichten.“
    Eitelfritz kam näher, sah zu ihm herauf. Hinter ihm Dunkelheit.
    „Blut?“, sagte er.
    Eitelfritz schien zu nicken, er sah es nicht gut.
    Dummkopf, Blut war nicht verwunderlich. Die Frage war nur, ob es ausreichend aus dem Knecht hinauslief, um ihm den Garaus zu machen.
    „Du machst mich verrückt, Massenfels“, hörte er Eitelfritz knurren. „Was soll ich tun? Weiter nach ihm suchen?“
    Scheiß auf dich, brummte er innerlich. Laut sagte er: „Ist vielleicht doch zu waghalsig. So du ihn findest, hinterlässt du Spuren im Schnee, wenn du von der Leiche weg die andere Richtung nimmst. Hier oben sind die Spuren dem Kampf mit dem Teufel zuzuordnen. Wir haben’s plattgetreten. Doch da unten?“
    Eitelfritz stand schräg am Hang, und selbst in der Dunkelheit konnte Massenfels dessen wütenden Gesichtsausdruck sehen. Oder meinte er das nur, weil er den Unmut im Ton hörte, als Eitelfritz zischte: „Verdammt, mir kann’s ja gleich sein.“
    Massenfels sah, wie die Gestalt des Großmauls ins Wanken geriet und er hintüber fiel. Herrgott, das fehlte noch, dass der sich jetzt auch noch das Genick brach. Wie sollte er den dann hier fortschaffen? Außerdem brauchte er ihn ja noch. Er selbst konnte morgen schlecht an beiden Toren gleichzeitig sein. Sie brauchten das Buch. Unter welchen Vorzeichen es dann in die Kanzlei zurückkäme, nun, das würde man sehen. Vielleicht bestach man einen anderen. Oder man behielte es doch und vernichtete es. Das würde sich zeigen. Wichtig war, es zu haben. Und dafür brauchte er den Angeber dort unten.
    „Lebst du noch?“, rief er hinunter.
    „Scheiße auch, hab mir das Hirn angeschlagen! Drecksgestein das!“
    „Komm rauf!“, sagte er. Wenn sich schon Eitelfritz fast den Tod holte an diesen Felskanten, war der Knecht mit Sicherheit daran verreckt. Und wenn nicht, würde er verrecken. Vielleicht hatte er sich etwas gebrochen, dazu Kälte und der blutende Stumpf. Sollte er noch leben, käme er nicht weit. Er lauschte dem Keuchen, mit dem Eitelfritz sich heraufmühte. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er ihm helfend die Hand entgegenstrecken konnte.
    „Ich blute“, sagte Eitelfritz vorwurfsvoll, als er endlich neben ihm stand, sich Schnee vom Umhang klopfend.
    Er richtete den Blick noch einmal prüfend in die Finsternis hinab. „Geh’n wir“, brummte er Eitelfritz schließlich zu. „Wird’n Weg, ohne Gäule.“

Zweiundvierzig
    Er war nicht allein. Jemand … etwas war um ihn.
    Langsam tauchte er aus Finsternis.
    Schmerzhölle!
    Gedanken wie kleine Steine, die man aus der Hand rollen lässt. Ein jeder ein Stück Erinnerung. Seltenleer. Kapuzenmänner. Nacht und Schnee.

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