Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
Und verkaufte ihm diese Lüge als Ausrede!
„Ist mit einem Zauberer davon, der Weiber zu umgarnen versteht.“
„Niemals würde sie das tun!“
„Sahen’s ja mit eigenen Augen, was, Fritz?“ Höhnisch klang die Stimme. „Mit Zauberei hat er sie entführt, das Buch ebenso. Hofft, Kapital daraus zu schlagen.“
Fritz? Wie ein Warnruf hallte der Name in Philipps Ohren wider. Der gab des anderen Namen preis? Jäh fiel ihn die Angst an. Das konnte nur eines bedeuten. Herr im Himmel, half es, wenn er den Sauhund weiter am Reden hielt? Sein Blick zuckte von hier nach da, nahm den Felsen wahr, das kahle Geäst um ihn her, schneebedeckt in der Mondhelle. Was konnte er tun, was nur? Er musste entkommen, gleich wie! Könnte er es zurück zum Steinbruch schaffen, zum Haus dort?
„Und das ist die Schwierigkeit“, unterbrach die niederträchtige Stimme seine Überlegungen. „Damit sie zurückkommt, brauchen wir dich.“
Philipp blieb stehen, ballte die Hände zu Fäusten. „Ihr lügt!“, spie er dem Verhassten entgegen. „Wäre wahr, was Ihr sagt, wüsstet Ihr nicht, wo sie ist. Sie wäre doch längst über alle Berge!“ Bitter lachte er auf. Wiederholte: „Ihr lügt!“
„Du musst sie zur Rückkehr bewegen.“
„Ihr seid ja toll, nichts von dem, was Ihr sagt, ergibt Sinn! Warum sollte sie fortgehen? Mit dem Buch?“ Und weil der andere nichts entgegnete, sickerten neue Gedanken in sein Hirn. Er griff sich ans Haupt. „Sie wird es zurückbringen.
Davor
habt Ihr Angst! Weil sie dann bezeugen kann, dass ich von Euch gepresst wurde.“ Dass er dies mit einem Mal so klar verstand, ließ die Furcht erneut in ihm auflodern. Denn genau das durfte nicht sein. Brachte sie das Buch zurück, würde man erst feststellen, dass es fehlte. Dann wäre der Plan der Übeltäter vereitelt.
Und ich des Diebstahls überführt, dachte er. Und da merkte Philipp, dass diese Aussicht, die ihn sich die ganze Zeit über so verzweifelt hatte im Kreis drehen lassen, nichts bedeutete. Ein Luftfurz war sie gegen das grausame Erkennen, das in ihn fuhr wie ein Blitz. Hier ging es um sein Leben. Er war ihnen hinderlich. Gefährlich gar. Sie brauchten ihn nicht mehr. Sie mussten ihn weghaben, weil er zu viel wusste. Gleich ob sie das Buch hatten oder nicht, gleich ob es längst wieder an seinem Platz war oder nicht. Sie würden ihn niedermachen. Kilian hatte recht gehabt! Er schluckte. „Was habt Ihr mit meinem Weib getan? Habt Ihr sie umgebracht, wie Ihr es mit mir vorhabt?“ Der Gedanke riss ihn mitten entzwei. Und ließ dennoch etwas in ihm aufsteigen: Entschlossenheit, Wille zu leben. Aber Gott, ohne Hedwig? Rachsucht bis zur Raserei. Er sah sich nach einer Fluchtmöglichkeit um. Einer Waffe. Aber er sah nur die kahle nächtliche Winterwelt, sanft erhellt vom Mond.
Und dann stürzten sie auf ihn, warfen ihn zu Boden, ein Fausthieb ins Gesicht, der ihn benommen machte, er lag rücklings, bäumte sich auf, der Kleinere der beiden saß ihm auf der Brust, drückte ihm mit den Knien die Luft ab, presste ihm die Arme, dass sie seitlich ausgestreckt waren. Wie der Gekreuzigte lag er da, wand sich wie eine Schlange unterm Stiefeltritt, strampelte mit den Beinen, versuchte ihn abzuwerfen, ein neuerlicher Fausthieb, seine Beine erschlafften. Irgendwo neben sich die Stimme des anderen. „Sieh, damit dein Weib tut, was wir wollen, brauchen wir ein Pfand von dir, das sie wieder zur Vernunft bringt, denn der Zauber dieses Magiers ist groß, und so braucht es auch ein großes Pfand.“ Er kniete neben ihm nieder, benommen hörte Philipp sein eigenes Keuchen, Papier raschelte neben seinem Kopf. Dann ein Zerren an seinem Arm, seiner Hand. Sein Ring, er wollte eine Faust machen, gab einen gurgelnden Laut von sich, es ging nicht, aus, alles aus, er wird mich abstechen wie eine Sau. Ein Felsklotz hockte ihm auf der Brust. Und dann, gleichzeitig, der Schmerz und sein Schrei, umgehend erstickt mit einem Schwall Schnee, der ihm ins Maul gestopft wurde, er warf den Kopf hin und her, suchte sich aufzubäumen, hörte sein ersticktes Gewinsel, fremd, nicht zu ihm gehörend und doch aus seiner verstopften Kehle drängend. „Scht, Freund, Scht“, murmelte der auf ihm, und Philipp hörte durch all den Schmerz hindurch das diabolische Grinsen in den geraunten Worten. An den Haaren wurde sein Kopf festgehalten, damit er das blutende Stückchen Fleisch sehen konnte, das eben noch heil an seinem Körper gewesen war. Er spürte Übelkeit, bekam kaum Luft, zuckte
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