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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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Kehle gepackt. Den sah sie halb von vorn, fettiges Haar, flusiges Gekräusel rund ums Kinn, und Augen, zusammengekniffen vor Wut. Er beugte sich nach hinten weg, suchte der Umklammerung auszukommen und stolperte über einen umgefallenen zweiten Faltstuhl. „Nur wenige Gulden mehr, Roth. Trägst sie sonst eh nur zu den Huren.“
    Die Bewegung war fließend. Mit dem Ausruf „Hundsfott!“ stieß der Größere den anderen von sich, zog sein Schwert und stieß es ihm in den Leib.
    Ungläubig glotzend sank der kleinere Mann zu Boden.
    Hedwig schlug die Hand vor den Mund.
    Der Dritte sprang auf. „Bist du von Sinnen!“ Er beugte sich über die zu Boden gesunkene Gestalt.
    Blankes Entsetzen packte Hedwig. Sie presste Juli an sich und drückte sich in den Schatten der Hüttenwand. Der Niedergestochene hob einen Arm, röchelte, schließlich hustete er. Dann griff er sich mit einer matten Bewegung an die Seite. Blut färbte seine Finger. Der, der ihm das Schwert in die Seite gerammt hatte, stand breitbeinig da und glotzte auf ihn hinab. Hedwig sah ihn halb von hinten, halb von der Seite, viel hellbraunes Leder, Haare, die im Feuerschein rötlich schimmerten. „Das kommt, wenn man den Hals nicht voll genug bekommt, Scheißhaufen!“, stieß er hervor. Er war der mit der blechdünnen Stimme.
    Der Dritte sah ihn an, wütend, vorwurfsvoll. Hedwig gewahrte sehr kurzes Haar, ein dünnes, dunkles Bärtchen um Kinn und Lippen. „Unbeherrschter Ochse! Steh nicht rum, hol was zum Verbinden!“, schimpfte er.
    Dem am Boden fielen die Augen zu. Diesem Frettchen also gehörte jene widerlich ölige Stimme, die sie zu verabscheuen gelernt hatte. Stumpf vor Angst und Grauen starrte Hedwig hin. War er tot? Da drehte der Hellbraune sich um, kam auf sie zu. Hedwig hielt den Atem an. „Her mit dem Tuch!“
    Mit zitternden Fingern kam sie seinem Befehl nach, wickelte es von Julis kleinem Körper. „Bitte!“, flehte sie, doch ihr versagte die Stimme. Juli würde erfrieren, wenn er ihr das warme Tuch nähme. Der Mann beugte sich herab. Mit grober Gleichgültigkeit riss er das Kind aus dem Gewebe, da ihre Finger zu langsam waren. Als sie die Brutalität sah, mit der er Juli einen Schlag verpasste, da begriff sie, wie taub und tot vor Pein, dass sie verloren war, dass ihr Leben und das ihrer Tochter keinen Pfifferling wert war, denn wenn der schon so toll war, seinen Kumpan niederzustechen, der ihm behilflich gewesen war – welches Schicksal erwartete dann erst sie?

Herbst 1595

Acht
    Philipp hing schräg auf dem Stuhl in der Kammer, die Hedwig stolz „unsere Wohnkammer“ nannte.
    Aber Hedwig war nicht da. Juli war nicht da.
    Er starrte in die rußende Flamme des Talglichts auf dem Tisch. Sein Mantel war feucht, er zurrte ihn dennoch enger, kreuzte die Arme vor der Brust, aber warm wurde ihm nicht. Seine Finger waren eisig. Die Stube war kalt, dunkel. Er hatte kein Feuer in dem gusseisernen Gluttiegel entzündet.
    Wie lange saß er hier, zerschlagen und niedergeschlagen? Er wusste es nicht. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhandengekommen.
    Knarren im Gebälk, er hörte das rasche Trippeln der Ratte im Fachwerk, die sie noch immer nicht gefangen hatten. Sonst war es still, auch Wittib Ringeler, die Vermieterin, plärrte unten im Erdgeschoss noch nicht mit ihren Kindern herum. Kein Gerufe, Gezänk und Gemach vom Jakober Tor her.
    Philipp hatte kein Wort für das Gefühl, das ihm in Mark und Bein brannte. Wut? Es war mehr als das. Zorn? Es war mehr als Zorn. Hilflosigkeit? Ja. Schmerz? Grenzenlos und allumfassend, wie er ihn nie für möglich gehalten hätte. Julis Quengeln und Schmatzen, ihr Gebrabbel, das er frühmorgens vernahm, im Halbschlaf noch, wenn Hedwig sie stillte und leise mit ihr sprach. Das zufriedene Grunzen seiner Tochter. Nebenan in der Schlafkammer stand das Körbchen aus Flechtwerk, in das sie sonst gebettet lag. Leer. Wo war seine Tochter?
    Philipp spürte, wie der Kloß im Hals sich löste. Er schluckte. Neigte den Kopf, bedeckte die Augen mit der Hand und weinte. Er konnte nichts dagegen tun. Es überwältigte ihn.
    Nach einer Weile hob er den Arm und wischte sich den Rotz von der Nase. Nachdenken. Eine ungeheure Anstrengung – und doch rumpelte es in seinem Kopf, unablässig, sprangen die Gedanken von hier nach da, gaukelten Hoffnung, sprachen von Irrtum, rissen ihn in Verzweiflung, zeigten ihm wieder und wieder den Ablauf des gestrigen Abends, schimpften ihn einen Tor, einen Narren. Er dachte daran, wie er zu sich

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