Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
ihm immer wieder widerfuhr, sein langes schwarzes Haar, seine reine Haut – er gefiel nicht nur den Weibsleuten. Doch dann war ein schönes junges Weib herangekommen, lächelnd und keck, mit Wangen wie Nikolausäpfel, die Haare so schwarz wie seine eigenen, nur dass sich die ihren in munteren kleinen Locken ringelten. Die Augen des Jünglings glänzten mit einem Mal wie die dunklen Trauben der Pfälzer Weinberge im Tau, und er hatte kein Liebesorakel gebraucht, um zu sehen, dass der bis über beide Ohren in die Maid verliebt war. Sie hatten gelacht, sie hatten getändelt, sie hatten getrunken und schließlich gesungen. Man hatte ihn mit einbezogen, ihn ermuntert. Das musste man diesem ach so rechtgläubigen Volk lassen, sie feierten gern und ausgiebig. Hatten ja auch einen Fürsten, der die Lustbarkeiten liebte. Das hatte er unterwegs immer wieder gehört, und als ihm ein englischer Kavalier in Brügge erzählte, der großzügige Hof des jungen Fürsten in der Kurpfalz stehe weithin in gutem Ruf, hatte er beschlossen, hierherzukommen. In Speyer sowie in manch pfälzischem Dorf hatten sie allerdings die Nasen über den Kurfürsten gerümpft. Seine verschwenderische Hofhaltung sei schändlich, desgleichen sein tollkühner Lebenswandel, sein ungezügeltes Jagdgebaren. Allzu oft überspanne er den Bogen seiner Großmannssucht. Statt zu regieren, fröne er kostspieligen Liebhabereien und veranstalte ein Turnier nach dem anderen.
In Frankenthal hingegen war man voll des Lobes über den Herrscher gewesen. Ryss dachte an die Wallonen dort, bei denen er gute Geschäfte gemacht hatte. Wohlhabende Tuchmacher und Teppichwirker. Weber, die ihm, ohne mit den Wimpern zu zucken, seine wunderwirksamen Elixiere abkauften, denn deren Wandteppiche waren weithin gesucht und ihre Geldbeutel entsprechend gefüllt, da sie auch für den Hof des Fürsten arbeiteten. Sowohl sie als auch all die Juweliere, Gold- und Silberschmiede waren Fremde wie er selbst, mit dem Unterschied, dass sie in der Pfalz eine neue Heimat gefunden hatten, während er noch immer umherwanderte, seinem Schicksal folgte, das ihn in die Welt hinaustrieb. Waren jene hier sesshaft geworden zu Bedingungen, die ihren verfolgten Leibern und ihren geplagten Seelen wohltaten, so schien es für seine eigene Seele keinen Trost zu geben, noch immer nicht.
O’r argol
, jetzt nur nicht in Melancholie abgleiten! Auch hier war nicht alles eitel Sonnenschein, denn auch wenn die neuen Untertanen den hiesigen Fürsten für sein Vorgehen liebten, wussten sie doch, dass es Berechnung war, denn die Pfalz saß wegen der calvinistischen Religion noch immer auf einem gesonderten Ast im Baum des Reiches, und je mehr gleichgläubige Untertanen, desto besser.
Nun, ihm war’s gleich. Er kam zurecht, auch mit der Religion, wenn sie nicht gar zu streng gehandhabt wurde. Und Seelentrost? Nun, den schafften am ehesten eine Ecke im Stall, Kuhgeruch und wärmendes Heu. Er verscheuchte die altbekannten wehmütigen Gedanken und ergab sich von Neuem seiner lüsternen Fantasie: Heranhuschender Lichtschein, eine schüchtern-kecke Stimme, die ihm Brot und Bier anbot und fragte, ob er es auch warm genug habe. Ich wüsste, wie mir noch wärmer würde, meine Schöne, würde er raunen, sie an sich ziehen, was sie willig geschehen ließe. Er würde den weißen Busen streicheln, ihr unter die Röcke gehen, stöhnen würde sie, und er würde ihr den Hals küssen und sie schließlich nehmen.
Ryss spürte seinen Schwanz hart werden und wünschte, diese Fantasie, so oder so ähnlich schon geschehen, würde heute Abend Wirklichkeit werden. Also hieb er seinen Wanderstock in den Schnee und stapfte voran auf dem schmal ausgetretenen Pfad, den Wildspuren säumten. Den Rucksack hatte er wie stets unter dem Wollumhang geschultert. Und wie stets scheuerte der hölzerne Kasten darin an seinem Rücken. Die unterschiedlich großen Beutelchen an seinem Gürtel schwangen mit dem Trinkschlauch im Gleichmaß seiner Schritte.
Schnee rieselte von einem Ast. Eine Wildtaube gurrte.
Langsam schwanden die Kopfschmerzen.
Duw Mawr
, war ja nicht jedes Mittelchen, das er mit sich herumschleppte, wirkungslos. Rosenöl zum Beispiel brauchte er ohnehin für die Weiber. Es half auch gegen Kopfgrimmen. Und den Wirt der Herberge hatte er in aller Herrgottsfrühe genötigt, ihm ein Stück rohes Rindfleisch beizuschaffen, das er sich ins Genick legte. Nicht umsonst stand er in der Nachfolge Rhiwallons und seiner Söhne Cadwgan, Gruffydd und
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