Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)
etwas zu essen im Winter. Zudem – mit Verlaub – ist noch Herbst.“
Rotnase verpasste ihm eine Kopfnuss. „Werd nicht frech, Milchgesicht.“
„Verzeiht“, murmelte Ryss. Er sah, wie sie sich erneut mit Blicken verständigten.
Die Stiefelspitze des Dunkelhaarigen tippte nacheinander einige der umliegenden Gegenstände an. „Tönerne Räucheröfchen, der Fünfstern als glasierte Verzierung. Schmelztiegel, Hahnenkrallen. Und was ist das? Ziegenohren? Ein Krämer? Würzverfälscher wohl eher.“
Rotnase hielt ein Säckchen hoch und schüttelte es. Die Walnüsse darin klapperten. „Dass der Teufel dich schände, Geschäftemacher und Betrüger“, bemerkte er.
„Keineswegs, Herren“, widersprach Ryss und legte Selbstbewusstsein in Stimme und Haltung.
„Kräuter, Öle. Und das hier …“ Die Stiefelspitze trat auf einen mit einer Kordel zusammengehaltenen Bund Flugblätter, die Rezepte und Zaubermaßnahmen enthielten, was man an den Bildern erkennen konnte. „Damit führst du leichtgläubige Menschen hinters Licht.“
„Ich …“
Rotnase hielt ihm sein in schwarzes Leder gebundenes Buch hin, in das er seine Rezepturen und Erfahrungen einzutragen pflegte. Er trug es stets ums rechte Bein gezurrt, und sie hatten es ihm ebenso abgenommen wie seine Beutelchen, als sie ihn nach Waffen durchsuchten. Besonders überlegt waren sie dabei allerdings nicht vorgegangen. Die naheliegendste Stelle hatten sie nicht angetastet. Ryss versuchte, die niedergeschmetterte Miene beizubehalten und sich nicht anmerken zu lassen, dass es ihn anwiderte, dass die dicken Finger mit den schwarzen Nägeln sein geliebtes Buch beschmutzten.
„Verwickelte Verzierungen im schwarzen Leder.“ Er drehte das Buch um und deutete mit dem Finger auf die Rückseite. „Noch einmal der Fünfstern. Und innen drin unverständliche Zeichen und Wörter. Die Zubehöre eines Zauberers, wenn Ihr
mich
fragt.
Herr
.“ Er warf das Buch zu den anderen Dingen am Boden.
„Aber Ihr irrt!“ Ryss gab sich empört und zog die Nase hoch. Unverständliche Zeichen und Wörter! Dieser Idiot! Nur weil er selbstverständlich in seiner eigenen Sprache schrieb, die dieser Dummkopf natürlich nicht kannte. Wenn der überhaupt lesen konnte!
„So?“ Der Stehende klang fast belustigt.
Ryss’ Kehle wurde eng, als er sah, wie Rotnase die Hand auf den Schwertknauf legte.
„Lass stecken, Vetter. Er kommt uns wie gerufen. Erspart uns unnötig Weg und Unbill. Und er ist ein Fremder. Wir nehmen ihn.“
Rotnase stieß ein überraschtes Grunzen aus.
„Quacksalber, sagen wir, du wirst uns einen Gefallen tun“, bemerkte der Dunkelhaarige.
Das hieß, dass sie ihn erst einmal nicht kaltmachten. Ryss spürte Erleichterung, auch wenn er Übles ahnte. Er rang sich ein steifes Lächeln ab und erwiderte: „Jederzeit, die Herren, zu Diensten, so es ist nicht unlauter und ich es vermag!“
„Unlauter?! Hirhirhir!“ Rotnases Lachen rasselte dünn. „Unlauter, ich fress dem Ochsen seine Eier! Unlauter!“ So ungestüm, wie er begonnen hatte, war er auch wieder still. Er beugte sich zu ihm herüber, Ryss konnte den üblen Atem des Gesellen riechen, als der ihm drohend langsam Wort für Wort entgegenspie: „Hausierer sind hierzulande keineswegs gut gelitten.“ Er deutete auf die umherliegenden Dinge. „Zauberer auch nicht. Schau dir deinen Mischmasch an. Und dann danke dem Herrn, dass wir dich nicht dem nächsten Büttel ausliefern.“
Ryss schluckte. Das hätte gerade noch gefehlt. Da war er aus diesem Grund aus der Stadt fort, nur, um ausgerechnet mitten im verlassensten Wald auf diese beiden Halunken zu treffen, die ihm damit drohten, ihm genau zu
jenem
Schicksal zu verhelfen, dem er zu entfliehen gedacht hatte. Oder die ihn umbrachten, wenn er sich nicht geneigt zeigte. „Ich bin sicher, wir kommen überein“, sagte er glatt – und lächelte.
Gwae fi
! Wie komme ich da wieder heraus?, überlegte er.
„Binde ihn los!“, befahl der Stehende.
Rotnase warf ihm einen warnenden Blick zu. „Keine Dummheiten, verstanden!“
Ryss schnitt eine Grimasse, von der er hoffte, dass sie leutselig und zustimmend aussah, drehte den Oberkörper, sodass der Kerl ihm die Fesseln abnehmen konnte. Er ächzte, als er die Hände nach vorne nahm und sich die Gelenke rieb. Man bedeutete ihm aufzustehen.
Als er es tat, warf er einen raschen Blick in die Ecke, wo zusammengesunken das Mädchen kauerte. Sie sah nicht her.
„Nur so, um Aufschluss zu erlangen“, sagte er
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