Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
richtig hingesetzt hatten, rief der Kid schon nach der Bedienung.
»Bourbon. Und mach das Glas ganz voll.«
Kacy schnappte sich einen Barhocker und setzte sich. Die Barfrau stellte das Whiskeyglas auf den Tresen und goss das Glas mit Bourbon aus einer schmutzig braunen Jim-Beam-Flasche voll.
Dante stupste Kacy an. »Pass auf, was passiert, wenn er den ausgetrunken hat. Die vier Typen da am Tisch können schon mal ihr Testament machen.«
Kacy schaute zu dem Tisch mit den vier Kerlen rüber, die Bier aus der Flasche tranken. Als einer von ihnen Blickkontakt mit ihr aufnahm, drehte sie schnell den Kopf weg. Der Kid hatte inzwischen der Barfrau einen Fünfdollarschein zugeworfen.
»Der Rest ist für dich.«
Sie legte den Fünfer in die Kasse. Der Kid nahm das Glas und musterte seinen Inhalt. Es war nicht besonders sauber, und der Bourbon sah auch nicht nach einem Spitzenwhiskey aus, aber er würde ihn jetzt runterstürzen. Er führte das Glas an die Lippen und kippte sich das Gesöff in die trockene Kehle. Dann knallte er das Glas auf den Tresen.
Nach allem, was Kacy so gehört hatte, erwartete sie, dass der Kid sich jetzt auf der Stelle in einen Psycho-Killer mit einem ganzen Waffenarsenal verwandelte. Was aber tatsächlich passierte, war ziemlich enttäuschend. Der Kid tat nämlich nichts weiter, als gedankenverloren in sein Glas zu starren.
Schließlich sah er sie beide an. »Ich spüre gar nichts«, sagte er. »Irgendwas ist weg. Eigentlich sollte ich mir jetzt die vier an dem Tisch da vorknöpfen und sie ins Jenseits befördern.«
»Was meinst du damit?«, fragte Dante.
»Mir fällt kein einziger Grund ein, warum ich sie umbringen sollte.«
»Seit wann brauchst du dafür einen Grund?«
»Seit jetzt.«
Kacy zeigte auf einen Tisch neben dem Eingang. »Warum setzen wir uns nicht da rüber und besprechen das Ganze in aller Ruhe?«
Die drei standen auf und setzten sich auf die Holzstühle an besagtem Tisch.
»Was ist denn anders?«, fragte Kacy freundlich.
»Ich fühle mich nicht mehr so wie früher.« Der Kid machte ein verwirrtes Gesicht. »Normalerweise bekomme ich nach einem Drink einen heftigen Adrenalinstoß. Du weißt schon – wenn man einfach jeden umbringen will, den man trifft.«
»Nein, das Gefühl kenne ich eher nicht«, sagte Kacy vorsichtig.
»Wenn ich früher etwas getrunken hatte, ergriff irgendetwas von mir Besitz. Die Erinnerung daran, wie ich meine Mutter getötet habe, kam dann wieder hoch und löste das alles in mir aus.«
»Du hast deine Mutter umgebracht?« Kacy konnte ihr Entsetzen nicht verhehlen.
»Sie hatte sich in einen Vampir verwandelt. Hat mich angefleht, sie zu töten. Aber vorher brauchte ich einen Drink. Ich habe eine ganze Flasche Bourbon leer gemacht, und ihr dann sechs Kugeln ins Herz gejagt. Seitdem fühle ich mich nur wirklich lebendig, wenn ich Bourbon trinke und Leute abknalle. Insbesondere Vampire.«
»Aber jetzt fühlst du dich nicht so?«
»Nein. Nicht mehr seit …« Er beendete den Satz nicht.
Dante übernahm das für ihn. »Nicht mehr, seit er mit dem Auge des Mondes letzte Nacht seine Seele gerettet hat. Jetzt ist er ein ganz normaler Mensch mit einem Gewissen.«
Der Kid holte seine Zigaretten aus der Jackentasche und zog mit den Zähnen eine Kippe aus dem Päckchen. Er zündete sie an, nahm einen tiefen Zug und steckte das Päckchen wieder weg. »Ist trotzdem nicht so, als wäre ich jetzt zu gar nichts mehr zu gebrauchen«, erklärte er dann. »Glaubt bloß nicht, ich wäre am Ende. Ich habe nichts vergessen oder verlernt, nur mein Zorn brennt nicht mehr so heiß.«
Dante musterte ihn. Der Kid sah jetzt aus wie ein völlig durchschnittlicher Typ. Irgendetwas fehlte – und zwar nicht nur der schwarze Umhang. Eher etwas in seinem Blick, der früher alles und jeden mit Verachtung gestraft hatte.
Ohne es selbst wirklich zu merken, schüttelte Dante fast mitleidig den Kopf. »Wie willst du uns dann helfen, Gaius umzubringen und ihm das Auge des Mondes abzunehmen?«
»Man kann Gaius nicht umbringen.«
»Warum nicht?«
»Du hast gesagt, das Auge des Mondes steckt in seinem Kopf. Damit ist es ein Teil von ihm. Es verleiht ihm Kraft und macht ihn unsterblich. Mumien sterben außerdem sowieso nicht. Gegen die gibt es nur ein Mittel.«
»Und das wäre?«, fragte Kacy.
»Du musst sie wieder dahin schaffen, wo sie hergekommen sind.«
Kacy schaute Dante an. Der schien auch kein Wort von dem zu verstehen, was der Kid erzählte. »Wo kommt Gaius denn
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