Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
Horizont raste auf ihn zu, und die weißen Wölkchen flogen nur so über seinen Kopf hinweg, während JD gleichzeitig nur zwei Schritte weiterging. Plötzlich stand er vor einer großen Bar neben dem Highway. Von außen unterschied sie sich nicht sonderlich von den Bars in Santa Mondega. War das alles nur eine Halluzination? Der Schuppen erinnerte an einen typischen Western-Saloon, eine Mischung aus dem Tapioca und dem Nightjar, nur zehnmal größer und alles andere als einladend. Ja, kein Zweifel, das hier war sein Ziel. Er musste da wohl oder übel rein.
Der Name des Schuppens leuchtete in Neonbuchstaben auf einem Schild über dem Eingang.
FEGEFEUER
Er ging über einen kleinen Kiesweg zu den traditionellen Schwingtüren aus Holz. Mit jedem Schritt wurde der Lärm aus dem Inneren der Bar lauter. Bald konnte er einzelne Stimmen unterscheiden. Die Leute drinnen tranken und unterhielten sich. JD hatte kein gutes Gefühl bei der Sache. Was ihn gleich erwarten würde, wusste er nicht, aber bisher war das hier genau der richtige Laden für den Bourbon Kid. Bedauerlicherweise war er aber immer noch JD . Ob sich das dort drinnen gleich änderte? Irgendetwas sagte ihm, dass es ohne Mord nicht abgehen würde. Gut, das war dann wohl die Gelegenheit, um unter Beweis zu stellen, dass sein Killerinstinkt ihn doch noch nicht ganz verlassen hatte.
JD wollte die Türen bereits aufstoßen, hielt aber inne. Er spähte ins Innere des Saloons. Oben an der Decke hing ein großer Ventilator, und er konnte die Köpfe mehrerer Männer erkennen, ein paar Frauen waren ebenfalls da. Jetzt drückte er die Schwingtüren auf und betrat das Fegefeuer.
Kaum hatte er einen Fuß in den Saloon gesetzt, herrschte auf einmal tödliche Stille. Alle starrten den Neuankömmling an, niemand bewegte auch nur den kleinen Finger. JD ging einen Schritt weiter und ließ die Schwingtüren hinter sich zufallen. Quietschend bewegten sie sich noch einen Moment hin und her, bevor sie endgültig in ihre Ausgangsposition zurückkehrten. JD marschierte zwischen den Anwesenden hindurch und bemerkte, wie wütend die Männer ihn anstarrten. Sämtliche Blicke folgten ihm zum Tresen, wo ein Barmann auf die Bestellung des neuen Gasts wartete. JD musterte die anderen. Tatsächlich kamen ihm einige der Gesichter bekannt vor.
Es waren die Gesichter von Leuten, die er umgebracht hatte .
Es waren auch Gäste da, an die er sich nicht erinnern konnte, was aber nicht bedeutete, dass er die nicht ebenfalls irgendwann ermordet hatte. Die Opfer des Bourbon Kid waren zahlreich, und nur wenige waren wichtig genug gewesen, um sie nicht gleich wieder zu vergessen.
Er spürte, wie sich die Blicke der anderen Gäste in seinen Rücken bohrten, als er schließlich am Tresen stand. Der Barmann, ein gerissen aussehender Kerl, dem das strähnige Haar ins Gesicht fiel, hatte gerade den Tresen abgewischt. Jetzt warf er das feuchte Tuch ins Regal hinter ihm. Auch ihn kannte JD . Es war Berkley, früher Barmann vom Nightjar in Santa Mondega. Eines Nachts nach einem Glas besten Whiskeys hatte der Bourbon Kid ihm ins Gesicht geschossen. Daran konnte JD sich noch gut erinnern. Als er an dem Abend in die Bar gegangen war, hatte er dort die Leiche von Rodeo Rex gefunden, seines alten Gegners beim Armdrücken. Er hing in seltsam verdrehter Position oben im Ventilator. Der Mord ging entweder auf das Konto von Jessica oder aber auf das von Archibald Somers. Vielleicht waren sie es auch zusammen gewesen. Wer wusste das schon? Und wen interessierte es?
Berkley stellte ein Glas vor JD auf den Tresen und holte eine Flasche Bourbon darunter hervor. Angesichts der Tatsache, dass JD ihm bei ihrer letzten Begegnung ein kapitales Loch in den Kopf geschossen hatte, war das eine ziemlich versöhnliche Geste. Die Wunde dieser Verletzung war verschwunden, und Berkley sah genauso aus wie früher. Er war derselbe ungewaschene Penner. Sein weißes Hemd hatte einen Schmutzrand und wurde glücklicherweise größtenteils von einer schwarzen Weste verdeckt.
»Einschenken.« JD lehnte sich mit dem Rücken gegen die Bar und musterte die Leute. Es waren mehrere hundert Gäste anwesend. Keiner von ihnen schien sich besonders zu freuen, ihn hier wiederzusehen. Nachvollziehbar.
Berkley entkorkte die Flasche mit dem Bourbon und schenkte ein. JD fixierte das Glas, während Berkley die Flasche wieder verkorkte.
»Das ist nicht voll genug«, entschied JD .
Berkley zog den Korken wieder raus. »Wie viel mehr?«
»Musst du das
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