Das Buch des Todes: Roman (German Edition)
wirklich fragen?«
»Nein.«
Berkley füllte das Glas nun bis zum Rand und trat dann einen Schritt zurück. JD schaute auf seinen Drink hinab. Es war ein entscheidender Moment. Wenn er jetzt auch nur einen Schluck trank, war der Pakt mit dem Teufel geschlossen, und es gab kein Zurück mehr. Dann würde er sich wieder in den Mann verwandeln, der er einmal gewesen war. Ein Mann ohne Seele . Ein Mann, der jeden in dieser beschissenen Bar abknallen konnte, ohne mit der Wimper zu zucken. Ein Mann, der sie wahrscheinlich alle schon mal abgeknallt hatte. Und wahrscheinlich musste er genau das wieder tun, falls er lebend hier herauskommen wollte.
Er nahm das Glas und inspizierte seinen Inhalt. Ein Schweißtropfen lief außen am Glas herunter. Echter Schweiß. Während er den Tropfen noch beobachtete, hörte er hinter sich eine Stimme. Eine ziemlich heisere Stimme, um genau zu sein. »Was machst du in unserem Saloon, Fremder? Was hast du hier zu suchen?«
JD stellte das Glas zurück. Er kannte diese Stimme. Sie gehörte zu Ringo, einem fetten Drecksack, den er vor ein paar Jahren im Tapioca erledigt hatte. Links von JD bahnte sich Ringo gerade unsanft einen Weg durch die Gäste.
JD seufzte. »Hör mal, ich suche hier keinen Ärger.«
Ringo grinste bösartig. »Tja, Pech gehabt, ich bin nämlich der Inbegriff von Ärger, und jetzt hast du mich gefunden.«
Der Barmann verzog sich noch weiter. JD schüttelte den Kopf, drehte sich dann zu Ringo um und sah ihm genau in die Augen.
»Du lernst es auch nicht mehr, oder?«
Ringo legte JD eine Hand auf die Schulter und drückte sie so heftig, dass es wehtat. Mit der anderen Hand zog er eine Waffe aus einem verdeckten Holster an seiner Seite. Dann zielte er auf JD s Gesicht. »Wir haben immer wieder Gerüchte darüber gehört, dass der Bourbon Kid hier eine Stippvisite einlegen will. Du trinkst doch gerade Bourbon, oder? Bist du der Bourbon Kid?«
JD holte tief Luft. »Du weißt doch wohl, warum man ihn so nennt, oder?«
Eine hohe männliche Stimme aus dem Kreis der Zuschauer rief: »Ich weiß es! Wenn der Kid Bourbon trinkt, verwandelt er sich in einen Psycho, dreht ab und schießt jeden in seiner Nähe um. Es heißt, er wäre unverwundbar und nur der Teufel selbst könnte ihn töten.«
»Das stimmt«, sagte JD . »Der Bourbon Kid knallt jeden ab. Ein Schluck reicht, und er massakriert die gesamte Bar. Ich muss es wissen, ich war nämlich ein paar Mal dabei.«
Ringo knurrte: »Dann wollen wir mal sehen, was gleich passiert. Trink deinen Bourbon.« Er hob die Waffe.
JD griff zum Glas. Sah aus wie ziemlich gutes Zeug. »Hey, Barmann, ist das auch echter Bourbon?«
Berkley schaute verwirrt. »Klar, wieso sollte das denn keiner sein?«
»Schon gut, ich wollt’s nur wissen.«
JD setzte das Glas an die Lippen. Der gesamte Saloon beobachtete ihn und die Stimmung war zum Zerreißen gespannt. Um die Leute noch weiter auf die Folter zu spannen, tat JD ihnen nicht den Gefallen, den Bourbon einfach in einem Zug auszutrinken, sondern zögerte noch, als wäre er tief in Gedanken versunken. Sollte das wirklich alles wieder von vorne losgehen? Einen kurzen Moment lang wollte er sich schon dafür entschuldigen, was er gleich tun würde. Doch damit war es schnell vorbei, und er lächelte in sich hinein. Dann kippte er sich den ganzen Bourbon auf einmal in die Kehle, schluckte und knallte das Glas zurück auf den Tresen.
Ja, keine Frage, das war echter Bourbon.
♦ EINUNDDREISSIG
Einem Mob wütender Zehnjähriger zu entkommen, war nicht ganz so einfach, wie es vielleicht klang. Insbesondere, wenn man beim Rennen ein so gewichtiges Werk wie das Buch des Todes dabeihatte. Das waren einfach deutlich mehr Pfunde, als Sanchez normalerweise mit sich herumschleppte. Und nach seinem Ringkampf mit einem als Weihnachtsmann verkleideten Vampir war er außerdem ganz schön erledigt. Nur dank eines ungeheuren Adrenalinschubs schaffte er es, weiterzurennen. Schwer atmend schaute er über seine Schulter. Waren die Sunflower Girls ihm wirklich so dicht auf den Fersen, wie es klang? Das Mädchen (dunkle Haare, Kugelstoßer-Figur), das die Meute anführte, holte bedenklich schnell auf. Tatsächlich war sie nah genug dran, dass Sanchez einen beginnenden Damenbart auf ihrer Oberlippe zu erkennen glaubte.
Ihm musste jetzt ganz schnell etwas einfallen. Wie zum Teufel sollte er dieser wütenden Horde entgehen? Vor ihnen davonlaufen konnte er auf Dauer nicht, das war mal klar. Ein Fluchtweg musste her.
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