Das Buch Ohne Gnade: Roman
Orchestermusiker vor ihm sich zu teilen begannen wie das Rote Meer vor den Kindern Israels. Er sah inmitten des Gewühls von Musikern einen athletischen Mann auf sich zukommen. Er trug eine schwarze Lederjacke mit einer Kapuze, die er sich über den Kopf gezogen hatte, sodass sein Gesicht im Schatten lag.
Während Boris Anstalten machte, zur Seite auszuweichen, um den Mann an sich vorbeigehen zu lassen, streckte dieser eine Hand aus und packte ihn an der Schulter.
»Heh, du«, sagte er mit rauer Stimme.
»Ja, äh – hi«, erwiderte Boris. Irgendetwas an dem Mann machte ihn nervös.
»Ich habe dich schon gesucht.«
» Mich? Warum?«
»Der Typ oben im Tonstudio will dich sprechen.«
»Weswegen?«
»Woher zum Teufel soll ich das wissen?«
»Na ja, ich soll gleich bei der Show spielen.«
»Es geht um die verdammte Show, Mann. Der Typ will, dass du ein langes Solo oder so etwas Ähnliches spielst.«
Boris’ Augen leuchteten auf. »Tatsächlich?« Aber seine anfängliche Freude verwandelte sich schnell in Misstrauen. Das war höchstwahrscheinlich nur ein schlechter Scherz. »Sie meinten gerade, Sie wüssten nicht, um was es geht«, sagte er wachsam.
»Es sollte eine Überraschung sein. Ich wollte sie dir nicht verderben.«
»Ach so. Gut. Was soll das für ein Solo sein?«
»Hey, Mann, ich habe schon viel zu viel gesagt. Es geht dort hinauf.« Er deutete auf eine Treppe, die auf der rechten Seite vom Korridor abzweigte und an der Boris soeben vorbeigegangen war. Damit seine Orchester-Kollegen ihn nicht vergaßen, rief er etwas hinter ihnen her.
»Ich komme gleich nach, Leute, okay?«
Falls einer der Musiker ihn gehört haben sollte, verriet er es durch keinerlei Reaktion. Sie alle setzten ihren Weg fort, ehe sienach rechts durch eine Tür verschwanden, die zum unteren Teil des Konzertsaals führte, wo sich der Orchestergraben befand.
Boris folgte dem Mann mit der Kapuze die Treppe hinauf. Der Fremde bedeutete ihm mit einer Geste vorzugehen. Die Treppe bestand aus nicht mehr als zehn Stufen, doch sie war nicht beleuchtet, sodass nicht genau zu erkennen war, wohin sie führte. Als er oben ankam, stand er am Anfang eines weiteren Korridors, in den er zögernd hineinging. Auf halbem Weg befand sich auf der linken Seite eine Tür mit einem Schild, auf dem das Wort » TONTECHNIK « zu lesen war. Während Boris sich der Tür näherte, drängte der Kapuzenmann sich an ihm vorbei.
»Dort hinein«, knurrte er und stieß die Tür auf.
Boris ging durch die Tür, die der Mann für ihn aufhielt. Vor einem großen Glasfenster mit Blick auf den Zuschauerraum darunter saß der DJ der Show an einem Mischpult. Er war ein kleiner, fetter Weißer mit Halbglatze in einem blauen Trainingsanzug mit weißen Längsstreifen an den Ärmeln und Beinen. Seine Ohren waren mit professionell aussehenden Kopfhörern bedeckt, die wahrscheinlich erklärten, weshalb er die beiden Männer offensichtlich nicht hatte hereinkommen hören. Boris versuchte sich bei ihm bemerkbar zu machen und rief: »Heh, Harry! Du wolltest mich sprechen?«
Aufgeschreckt fuhr Harry herum und sah ihn an. Er schob die Kopfhörer von seinen Ohren, während sein fleckiges rotes Gesicht einen verwirrten Ausdruck annahm. Er schüttelte den Kopf.
»Boris? Nein. Ich ganz sicher nicht. Solltest du nicht unten im Orchestergraben sitzen und spielen?«
Boris wandte sich zwecks einer Erklärung zu dem Kapuzenmann um und sah gerade noch, wie eine Faust direkt auf sein Gesicht zuraste. Instinktiv schloss er die Augen, während der Boxhieb mit voller Wucht seine Nase traf. Das Letzte, was er hörte, war ein grässliches knirschendes Geräusch, als sein Nasenbein zertrümmert wurde.
Der Bourbon Kid hob Boris’ Füße hoch und schleifte den bewusstlosen Körper in eine Nische des Tonstudios. Er hob die Gitarre auf, die der junge Mann fallen gelassen hatte, und betrachtete sie eingehend. Sie befand sich offenbar in einem hinreichend guten Zustand. An ihr waren keine Kratzer zu erkennen, und von der gebrochenen Nase ihres Eigentümers war kein Tropfen Blut auf das Instrument gespritzt. Der DJ , der sich nicht aus seinem Sessel gerührt hatte, wartete auf eine Erklärung.
»Hey, Mann, was geht hier vor?«, fragte er.
»Ich brauchte eine Gitarre.«
»Hätten Sie ihn nicht einfach fragen können, ob er sie Ihnen leiht?«
»Das hätte ich.«
»Aber Sie wollten es nicht.«
»Genau. Ich will auch etwas von Ihnen.«
»Und was wäre?«
»Eine Blues-Brothers- CD . Haben Sie
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