Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
einen Moment später, als Jefe durch den Haupteingang in die Tapioca Bar platzte. Der große Kopfgeldjäger kam zum Tresen gestapft und setzte sich auf den Hocker neben Jessica, sodass sie zwischen ihm und Sanchez war.
»Whisky für mich und noch mal das Gleiche für die Lady!«, bestellte er und starrte Mukka an, der aus dem hinteren Teil der Bar herangeschlichen kam.
Der junge Koch und Hilfsbarmann erinnerte sich an Jefes letzten Besuch und wurde plötzlich hektisch. Er stellte eine fast volle Flasche Whisky und ein Glas auf den Tresen. Sanchez beugte sich vor, nahm die Flasche, zog den Korken heraus und schenkte großzügig ein. Jefe sah ein wenig mitgenommen aus, ja erschüttert, was Sanchez höchst ungewöhnlich vorkam. Geradezu beunruhigend. Männer wie Jefe sahen niemals erschüttert aus.
»Alles in Ordnung, Mann?«, fragte er.
»Wird schon wieder, sobald ich erst einen Drink hatte. Du solltest dir vielleicht auch einen genehmigen, Mann, bevor du dir anhörst, was ich zu sagen habe.«
»Tatsächlich? Warum denn das?«
Jefe nahm das Glas Whisky, das Sanchez ihm eingeschenkt hatte, und kippte es in einem Zug hinunter. Dann stellte er es zurück auf den Tresen, bereit zum Nachfüllen. Er starrte an Jessica vorbei auf Sanchez.
»Dein bescheuerter Mann, dieser verdammte falsche Elvis, ist tot, Sanchez«, sagte er. »Irgendjemand hat ihn verflucht übel zugerichtet. Und damit meine ich wirklich verflucht übel .«
Zweiundzwanzig
Jefe und Jessica blieben noch mehrere Stunden in der Tapioca Bar und tranken. Der Kopfgeldjäger putzte zwei weitere Whiskys, acht Bier und drei Tequilas weg. Nach den ersten paar Drinks war er wieder ganz der unausstehliche, arrogante Alte. Jessica mit ihren insgesamt fünf Bloody Marys blieb ein wenig reservierter. Je mehr die beiden tranken, desto besser schienen sie sich zu verstehen, sehr zu Sanchez’ Ärger. Er konnte nicht umhin festzustellen, dass Jessica tief beeindruckt war von Jefe. Er erzählte ihr Geschichten von seinen Abenteuern als Kopfgeldjäger und wie er Männer für Geld gefangen genommen und manchmal auch getötet hatte. Er war in der ganzen Welt herumgekommen und hatte steckbrieflich gesuchte Verbrecher gestellt. Von den tiefsten Dschungeln bis zu den höchsten Bergen gab es keinen Ort auf der Welt, an dem Jefe seine Beute nicht verfolgte und schließlich stellte.
Auch wenn er sorgfältig darauf achtete, keine Namen zu nennen, ließ er den einen oder anderen Hinweis fallen, aus dem hervorging, dass er verantwortlich war für den Tod mächtiger, einflussreicher Personen, von denen man immer geglaubt hatte, sie wären bei Unfällen ums Leben gekommen. Es war ziemlich geschickt gesponnenes Garn, das niemand nachprüfen konnte. Nicht, dass irgendjemand lebensmüde genug gewesen wäre, seine Worte infrage zu stellen – jeder wusste, wie gut er in seinem Job war. Wenn die Leute, die ihn bezahlten, wollten, dass ein Mord wie ein Unfall aussah, dann sah er eben genau wie ein Unfall aus und nichts anderes.
Sanchez konnte nicht mit einem so dramatischen Lebenslauf konkurrieren, und so war es keine Überraschung für ihn, als Jessica leicht angetrunken eine Stunde vor Schließung der Bar mit Jefe zusammen ging. Die beiden lehnten sich aneinander und stützten sich gegenseitig, während sie nach draußen und auf die Straße torkelten. An der frischen Luft angekommen fingen sie an, irgendein Lied zu grölen, dessen Text Sanchez nicht verstand. Dann waren sie verschwunden.
Die Tapioca Bar war inzwischen fast leer bis auf eine kleine Gruppe von Stammgästen, die an einem Tisch in einer Ecke Karten spielten – und zwei Männer mit Kapuzen über den Köpfen an einem weiteren Tisch näher beim Tresen. Sanchez hatte ihnen vorher nicht viel Beachtung geschenkt. Mukka hatte die Arbeit hinter dem Tresen gemacht, während sein Boss herumgeflitzt war, mit dem einen oder anderen Gast geschwatzt und sein Bestes gegeben hatte, um Jessicas Blick zu erhaschen.
Es gab eine Regel in der Tapioca Bar (auch wenn es eine ungeschriebene war), die den Gästen verbot, ihre Kapuzen in der Bar aufzusetzen. Sanchez hatte sie kurze Zeit nach dem Zwischenfall mit dem Bourbon Kid vor fünf Jahren erlassen. Bis zur Mondfestival-Kostümparty waren es noch ein paar Tage, doch diese beiden schienen sich bereits jetzt dafür verkleidet zu haben, wie es schien als Jedi-Ritter. Jeder trug einen langen braunen Umhang über weiten, wallenden Hosen aus einem dicken Material. Sanchez fand sich mit einem
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