Das Buch ohne Namen - Anonymus: Buch ohne Namen - The Book With No Name
erkennen, wie der Tote ausgesehen hatte, weil er so furchtbar zugerichtet worden war. Er war über und über mit Blut besudelt, und seine Kleidung hing in Fetzen herab. Für Jefe sah es aus, als wäre er von einem Rudel wilder Bestien zerfetzt und anschließend zum Dörren aufgehängt worden. Der Kopfgeldjäger hatte im Verlauf seiner Karriere Hunderte von Leichen gesehen, aber noch nie eine, die so schlimm zugerichtet worden war.
»Verdammte Hölle, Mann. Wie ist dein Name?«, fragte Jefe laut.
Der Tote antwortete nicht, doch dann, als Jefe nach oben griff und ihn mit dem Lauf seiner Waffe anschubste, fand er eine Antwort. Eine Goldkette fiel vom Hals des Toten und landete auf dem Bett. Jefe bekam einen heftigen Schrecken, doch er fasste sich bald wieder, und als sich sein Herzschlag ebenfalls beruhigt hatte, nahm er den Anhänger auf. Es war eine ziemlich dicke Goldkette mit einem schweren goldenen Anhänger, der drei einfache Buchstaben bildete: TCB . Jefe wusste, was es damit auf sich hatte. Taking Care of Business. Der Name der Band des King, des echten King of Rock ’n’ Roll. Elvis hatte diese drei Buchstaben auf einer seiner Sonnenbrillen eingraviert. Es war sein Markenzeichen. Also kein Preis für das Erraten der Identität dieses Toten an der Decke.
»Du bist also Elvis, wie? Scheiße, Mann, was zum Teufel ist denn mit dir passiert? Du siehst aus, als wärst du Satan höchstselbst in die Quere gekommen.«
Die Leiche antwortete nicht, was keine weitere Überraschung darstellte. Jefe verbrachte die nächsten Minuten damit, die kleine Wohnung gründlich zu durchsuchen. Er fand nichts, und als sich unter Elvis’ Gewicht schließlich die Dolche aus der Decke lösten und der Tote schwer auf das Bett krachte, hatte Jefe endgültig die Nase voll und zog sich aus dem verdreckten Appartement zurück. Er stieg die Treppe hinunter, so schnell er konnte, ohne dabei den Anschein zu erwecken, auf der Flucht zu sein. Der alte Mann am Empfang blickte nicht einmal auf, als Jefe auf dem Weg nach draußen vorbeikam. Es war wohl besser für ihn – und vor allem gesünder –, darauf zu verzichten, die Leute zu überprüfen, die dieses Appartementhaus besuchten. Welchen Sinn hatte es, Kriminelle identifizieren zu können, wenn man sich dann vor ihnen verstecken musste, damit sie einen nicht umbrachten?
Draußen atmete Jefe die frische Luft in tiefen Zügen ein und aus, bevor er die Straße hinunter zu seinem Wagen ging. Das Auge des Mondes wiederzubeschaffen erwies sich mehr und mehr als extrem schwierige Angelegenheit. Er brauchte eine neue Spur. Wer hatte Elvis umgelegt? Und wo war das Auge des Mondes abgeblieben? Hatte dieser Dante es vielleicht noch? Und falls ja, wo zur Hölle steckte er jetzt?
Die Fragen lasteten schwer auf Jefes Gedanken. So schwer, dass er nicht einmal seinen alten gelben, am Straßenrand geparkten Cadillac bemerkte auf dem Rückweg zu seinem neuen schicken silbernen Porsche.
Einundzwanzig
Sanchez war nicht sonderlich erfreut, als Jessica zum zweiten Mal an diesem Tag seine Bar besuchte. Sie war schon beim ersten Besuch sehr unhöflich gewesen und hatte nicht nur keinerlei Interesse an ihm bekundet, ihrem Retter, sondern war obendrein mit diesem Jefe abgezogen. Und so war es eine ziemliche Überraschung für Sanchez, dass sie bei ihrer Rückkehr an jenem Abend in sehr viel freundlicherer Stimmung zu sein schien.
In der Bar herrschte nicht sonderlich viel Betrieb, und Mukka kam allein mit dem Bedienen zurecht, während Sanchez den Hintern auf der Gästeseite des Tresens auf einem Barhocker platzierte und ein Glas von seinem besten Bier genoss.
Jessica stürmte schnurstracks auf ihn zu, sobald sie ihn entdeckt hatte. Sie trug das gleiche schwarze Ninja-Outfit, das sie schon früher am Tag angehabt hatte. Es war das gleiche, das sie auch bereits vor fünf Jahren getragen hatte, in jener Nacht, als Sanchez sie kennengelernt hatte. Tatsächlich hatte er sie noch niemals irgendetwas anderes tragen sehen. Wahrscheinlich besaß sie überhaupt keine anderen Sachen, zumindest keine, von denen sie gewusst hätte. Diese Sachen waren bereits vor fünf Jahren völlig zerfetzt gewesen, von Kugeln durchlöchert, doch Sanchez’ Schwägerin Audrey hatte sie sehr geschickt geflickt und gestopft.
»Nun, Sanchez«, sagte sie und setzte sich neben ihn auf einen freien Hocker. »Spendierst du mir einen Drink, und erzählst du mir dann, wer zur Hölle ich deiner Meinung nach bin?«
Auch wenn Sanchez es nicht
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