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Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon

Titel: Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymus
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hierher zurückkommen. Er hatte seine Entscheidung getroffen. Scheiß auf den noch ausstehenden Lohn. Er würde abhauen und sich nie wieder in dieser Gegend blicken lassen.
    Nach dreißig Minuten fruchtloser Bemühungen, sich zu entleeren, beschloss er, dass er lange genug gesessen hatte. Er zog seine Hosen wieder hoch, betätigte die Wasserspülung und verließ seine Kabine, um sich an der Reihe mit Waschbecken die Hände zu waschen.
    Der Spiegel über dem weißen Waschbecken aus Plastik bestätigte seine tiefsten Befürchtungen – er sah grauenhaft aus. Er sah aus wie Scheiße, und er fühlte sich auch so. Nicht nur, weil er ein Loch in der dick bandagierten Hand hatte. Sondern auch, weil er Casper zu schnell im Stich gelassen hatte. Es war nicht nur die Rache des großen Bruders, die er fürchtete. Er würde mit dem Wissen weiterleben müssen, dass er zwei offensichtlichen Halsabschneidern erlaubt hatte, einen völlig unschuldigen, harmlosen Jungen zu überfallen und zu entführen. Dieses Wissen würde bis ans Ende seiner Tage auf seinem Gewissen lasten.
    Während er seinem Spiegelbild über dem Waschbecken die verschiedensten Grimassen schnitt, versuchte er nicht daran zu denken, was Casper möglicherweise zugestoßen war. Die Kondensation auf dem Glas schien das Wort »Schuldig« direkt auf seine Stirn zu schreiben. Und genauso fühlte er sich. Schuldig. Es fiel ihm schwer, sich in die Augen zu sehen, und er fühlte sich ganz krank, als er sich im Spiegel begutachtete.
    Sein Mund füllte sich mit Speichel, als würde er sich im nächsten Moment übergeben. Von plötzlichem Hass auf sich selbst überwältigt, spuckte er sein Spiegelbild an, und der Speichel bedeckte die erbärmliche Fratze, die aus dem Glas auf ihn zurückstarrte.
    Er musste seinen Anblick nicht viel länger ertragen, denn noch bevor der Speichel anfing, nach unten zu fließen, erlosch mit einem Mal das Licht. Er schrak aus seiner tranceartigen Starre hoch und war mit einem Mal hellwach und alarmiert.
    Stromausfall? , überlegte er. Du heilige Scheiße. Was zum Teufel geht denn heute Nacht noch alles schief?
    Nicht der kleinste Lichtschimmer irgendwo, als er mit ausgestreckten Armen tastend in die Richtung tappte, wo er die Tür vermutete. Als er das Holz fühlte, tastete er umher, bis seine Hand den Türknauf gefunden hatte. Er drehte daran. Die Tür schwang auf, doch zu seiner Enttäuschung herrschte auch hier draußen im Gang Dunkelheit.
    Devon wusste, dass in der Personalküche in einer Schublade eine Taschenlampe lag, also bog er nach links in den Korridor ab und tappte langsam voran, eine Hand an der Wand und eine vor sich ausgestreckt, um nicht in ein Hindernis zu rennen. Er kam genau zehn Schritte weit in der Dunkelheit, bevor er etwas hörte, das ihn erschauern und den Atem anhalten ließ. Für einige wenige Augenblicke hatte er ein Gefühl dafür bekommen, wie es war, blind zu sein – und bis zu einem gewissen Grad taub. Er hatte nichts gehört außer seinen eigenen Schritten. Und dann – jemanden hinter sich im Korridor. Von plötzlicher Panik erfasst, wirbelte er herum und rief in die Dunkelheit. »Hallo?«
    Keine Antwort.
    »Hallo?«, rief er erneut, leiser diesmal. »Ist da jemand?«
    Immer noch keine Antwort. Wahrscheinlich hatte er sich alles nur eingebildet. Er drehte sich um und tappte, sich an der Wand entlang tastend, weiter in Richtung Küche.
    Dann hörte er das Geräusch erneut. Ein weiterer Schritt, hinter ihm. Er blieb wie angewurzelt stehen und lauschte. Jemand war hinter ihm, definitiv. Er konnte ihn atmen hören. Das war doch wohl keine Täuschung – oder? Nein. Es war keine Täuschung. Devon Hart wusste, wie sich Atmen anhörte. Er hielt den eigenen Atem für ein paar Sekunden an, um sicherzugehen, dass nicht er selbst es war, den er hörte.
    »Hallo«, sagte er erneut, diesmal ohne sich umzudrehen. »Hören Sie, ich weiß, dass Sie da sind. Ich kann Sie hören.« Voller Furcht wegen dem, was ihn möglicherweise erwartete, drehte er sich ein weiteres Mal um und starrte angestrengt den dunklen Abgrund des Korridors entlang, der zur Eingangshalle führte.
    Und dann sah er Licht, wenn auch nur ein klein wenig. Zehn Meter vor sich sah Devon Hart Licht aufflackern. Eine winzige Flamme, nicht viel größer als ein Fingernagel an einem kleinen Finger. Für einen Moment war er verwirrt, bis ihm dämmerte, was es war. Eine Zigarette. Wie eigenartig , dachte er. Sie scheint sich ganz von alleine angezündet zu haben

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