Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
bratendes Fleisch über lodernden Feuern … Wie feindliche Geschosse prasselten die Eindrücke auf ihn ein und hämmerten gegen seinen Schädel. Verwirrt drehte er sich im Kreis und suchte nach einer Orientierung, nach etwas, woran seine Sinne sich festhalten konnten – als jemand seinen Namen rief.
»Conwulf?«
Er hielt inne und wandte sich um.
Vor ihm stand jemand, dessen Gesicht er nicht sehen konnte, weil er mit dem Rücken zum Feuer stand und nur seine Umrisse zu erkennen waren. »Bist du Conwulf?«
»J-ja«, bestätigte Conn. »W er …?«
Er kam nicht dazu, die Frage auszusprechen. Ein harter Fausthieb traf ihn ins Gesicht. Er hörte seinen Unterkiefer knacken und merkte, wie die Beine unter seinem Körper nachgaben. Er fand sich auf dem sandigen Boden wieder, der Schatten über ihm, so dicht, dass Conn seinen fauligen Atem riechen konnte.
»Du hast etwas, das uns gehört, Conwulf«, zischte er.
»Nämlich?«, brachte Conn mühsam hervor, während er gleichzeitig versuchte, den Kerl abzuschütteln, was ihm allerdings nicht gelang. Zwei weitere Gestalten hielten ihn an Armen und Beinen fest.
»Frag nicht so dämlich«, fuhr der Schatten ihn an, und eine Klinge blitzte im Feuerschein. »Rück den Ring heraus, oder ich stopfe dir dieses Messer bis zum Heft in den Schlund, hast du verstanden?«
C onn verstand durchaus, aber er war nicht gewillt nachzugeben. Wieder versuchte er, sich zu wehren – vergeblich.
»Also, was ist jetzt? Gibst du uns das verdammte Ding freiwillig, oder muss ich dir zuerst die Kehle durchschneiden?«
Conn fühlte verstärkten Druck an seinem Hals und zweifelte nicht daran, dass der Schemen seine Drohung wahrmachen würde. Tod und Sterben waren in diesen Tagen so alltäglich geworden, dass sich niemand darum scheren würde, wenn ein junger Angelsachse mit durchschnittener Kehle aufgefunden würde. Conn hatte keine Ahnung, woher der Kerl von dem Ring wusste, den der normannische Ritter ihm zum Dank gegeben und den er in den Saum seines Rocks eingenäht hatte, um ihn zu verbergen. Mehrmals hatte er in den letzten Tagen erwogen, das Gold gegen ein Stück Brot einzutauschen, es jedoch nicht getan – nur um jetzt dafür kaltblütig ermordet zu werden!
Ob dieser Ironie des Schicksals konnte er nicht anders, als sein Gesicht zu einem bitteren Grinsen zu verziehen.
»W as gibt’s da zu grinsen, hä?«, herrschte der Schatten ihn an und verstärkte den Druck hinter der Klinge, sodass Conn kaum noch zu atmen wagte. »Ich schlitz dich auf wie ein Schwein, wenn du nicht …«
Weiter kam er nicht.
Ein dumpfer Schlag war zu hören, und der Körper des Gesichtslosen verkrampfte sich. Dann kippte er zur Seite, und seine beiden Helfer sprangen auf und ergriffen die Flucht.
Conn, der nicht verstand, was geschah, merkte, wie sich sein Bewusstsein eintrübte – und kurz bevor sich der Schleier über ihn senkte, sah er über sich ein bekanntes Gesicht.
Baldric.
»Conwulf? Conwulf!«
Als Conn die Augen aufschlug, lag er auf einem kargen Lager in einem Zelt, das von flackerndem Schein beleuchtet w urde, und für einen Moment hatte er das Gefühl, dies schon einmal erlebt zu haben.
Den verzweifelten Kampf um das Überleben.
Die Rettung im letzten Augenblick.
Die tiefe Bewusstlosigkeit.
Und Baldric.
Hätte man ihm noch vor einem Jahr gesagt, dass er sich einmal über die Gesellschaft eines Normannen freuen würde, hätte er vermutlich nur gelacht. Nun jedoch ertappte er sich dabei, dass sein Herz einen Freudensprung machte, als er die narbigen, so vertrauten Züge seines Herrn und Mentors erkannte, dessen einzelnes Auge prüfend auf ihn herabblickte.
»Dich zu retten wird mir allmählich zur schlechten Gewohnheit, Junge«, brummte der Ritter, obwohl ihm die Erleichterung deutlich anzusehen war. »W ie fühlst du dich?«
Conn wollte nicken, aber ein schneidender Schmerz an seiner Kehle hinderte ihn daran. Er befühlte seinen Hals und stellte fest, dass er einen Verband trug. Die Klinge des Schattens hatte bereits seine Haut durchdrungen. »Ich bin am Leben«, krächzte er leise, »dank Euch.«
»Damit stehst du doppelt in Gottes Schuld«, entgegnete Baldric.
»Aber wie konntet Ihr wissen …?«
»Dass du noch am Leben bist?«, unterbrach ihn der Normanne, um ihm das Sprechen zu ersparen. »W o du zu finden warst?«
»Mhm.«
»Ich wusste es nicht. Als du in jener Nacht auf dem Schiff nicht zurückkehrtest, da schien mir offenkundig, dass du über Bord gegangen warst. Obschon alles
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