Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
wiederholte er leise. »Ich wollte das Buch wiederbeschaffen. Und ich wollte deine Ehre wiederherstellen.«
»Meine Ehre?« Chaya, die auf einer der steinernen Bänke gesessen hatte, die die Säulenhalle des Innenhofs säumten, sprang erschüttert auf. »W as redest du da? Was hat das zu bedeuten?«
Caleb schaute auf. »Du weißt, was es bedeutet«, sagte er nur.
»Du … du wolltest Conwulfs Tod?«, hauchte Chaya.
»Sorge dich nicht«, erwiderte Caleb mit bitterem Spott. »Der Christ ist noch am Leben.«
»Du bist ihm also begegnet?« Chaya ertappte sich dabei, dass sie spontane Freude verspürte, obschon das Gegenteil der Fall hätte sein müssen. Kaum ein Tag war in den letzten Wochen vergangen, da sie nicht im Zorn an den jungen Angelsachsen gedacht hatte, der sie so schändlich hintergangen und ihr das Buch von Ascalon gestohlen hatte. Ihr Onkel sprach kaum noch mit ihr, und wäre es nicht um seines Bruders willen, hätte er sie wohl längst aus dem Haus gejagt.
»Das bin ich«, bestätigte Caleb nickend.
»Und? Was hat er gesagt?«
»W as interessiert dich das? Ich denke, du hasst ihn?«
»W as hat er gesagt?«, wiederholte Chaya.
Caleb schnaubte verächtlich. »Dass er das Buch nicht gestohlen hat – was hätte er auch sonst sagen sollen?«
»Ist das alles?«
»Das ist alles. Und er hat mein Leben geschont, als er es hätte nehmen können. Die Klinge lag bereits an meiner Kehle.«
»Ihr habt gekämpft?«
C aleb nickte. »Nicht viel hätte gefehlt, und mein Dolch hätte den Christenhund ereilt.«
»Und dann?«, fragte Chaya entrüstet. »Glaubst du, sein Tod hätte irgendetwas bewirkt? Dass er das Buch von Ascalon zurückgebracht hätte? Warum nur dürstet ihr Männer immer nach Blut?«
»W eil nur Blut die Schande reinwaschen kann, die über dich gekommen ist, Cousine.«
»Die Schande?« Chaya blickte an sich herab. Noch war die Wölbung ihres Bauchs nur klein und unter dem Stoff ihres Kleides nicht zu sehen, aber schon bald würde sich dies ändern. »So siehst du es also? Dann lass dir sagen, Caleb Ben Ezra, dass diese Schande nicht über mich gekommen ist wie ein Unwetter oder ein Schicksalsschlag. Ich habe mich Conwulf freiwillig hingegeben, und deshalb trifft mich mindestens ebenso große Schuld wie ihn.«
Caleb verzog missbilligend das Gesicht, so als ob er derlei Einwände gar nicht hören wollte. »Du verteidigst ihn? Trotz allem, was geschehen ist?«
»W as wir getan haben, war falsch, das weiß ich jetzt. Auch wenn ich es gerne ungeschehen machen würde, ich kann es nun einmal nicht.«
»Und das Buch?«
Chaya zuckte mit den Schultern. »W enn du jemandem die Schuld am Verschwinden des Buches geben willst, dann kannst du ebenso gut mich beschuldigen. Ich habe es von meinem Vater bekommen, und ich habe ihm geschworen, es unter Einsatz meines Lebens zu hüten. Es war meine Aufgabe, meine Pflicht – und ich habe versagt, Caleb. Ich ganz allein!«
»Aber doch nur, weil dieser elende Bastard dich getäuscht und hintergangen hat!«
»Das wissen wir nicht mit Bestimmtheit. Du hast gehört, dass Conn seine Unschuld beteuert …«
»Und? Du schenkst den Lügen des Christen doch hoffentlich keinen Glauben mehr? Hast du mir nicht selbst erzählt, d ass er in London ein Dieb gewesen ist? Einmal ein Dieb, immer ein Dieb!«
»W as ich glaube, ist nicht von Bedeutung. Ich weiß nur, dass Conn dein Leben geschont hat, was er nicht hätte tun müssen, denn du hattest ihn angegriffen. Es wäre sein gutes Recht gewesen, sich mit gleichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Aber er hat dich am Leben gelassen, und dafür bin ich ihm dankbar. Was hast du dir nur dabei gedacht, eine solche Dummheit zu begehen?«
»Ich wollte dir damit helfen«, erwiderte er ein wenig unbeholfen.
»Mein guter Caleb, du hilfst mir nicht, indem du dich umbringen lässt. Oder indem du den Vater des Kindes tötest, das ich in mir trage. Du bist der Einzige, der von meinem Zustand weiß, und ich habe es dir nicht erzählt, damit du losziehst und meine Ehre mit Blut reinwäschst, sondern weil du der Einzige bist, der mir geblieben ist und mit dem ich sprechen kann.«
»Ist das wahr?«, fragte Caleb hoffnungsvoll.
»Aber ja«, versicherte sie lächelnd. »Du neigst zum Jähzorn und bisweilen auch zur Aufschneiderei. Aber du bist auch der einzige Freund, den ich noch habe.«
Calebs Hoffnung zerplatzte wie eine Seifenblase.
»Natürlich«, murmelte er säuerlich. »Nur ein Freund.«
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23.
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Al-Bira, nordwestlich von
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