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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Antiochia
31. Dezember 1097
    Das Erwachen war böse.
    Die Kämpfer der Streitmacht, die unter der Führung des Normannen Bohemund und des flämischen Grafen Robert ausgezogen war, um im weiten Hinterland Antiochias Vorräte für das hungernde Heer zu beschaffen, ruhten noch, als die Alarmrufe der Wachen sie aus dem Schlaf rissen. Hörnerklang scholl durch das Lager, heisere Befehle wurden gebrüllt.
    Auch Conn fuhr in die Höhe.
    Infolge der Kälte und des anstrengenden Marsches, den das Heer am Vortag bewältigt hatte, war sein Schlaf tief und voller Träume gewesen. Chaya war darin vorgekommen, ebenso wie Baldric und Pater Berengar. Wenn Conn auch nicht zu sagen vermochte, worum es genau gegangen war, blieb beim Erwachen doch ein schales Gefühl. Zeit, darüber nachzudenken, hatte er allerdings nicht.
    »W as ist los?«, fragte er Bertrand, der das Lager neben ihm besetzte und ebenfalls aus dem Schlaf geschreckt war.
    »W eiß nicht.« Der Normanne schüttelte das lockige Haupt. »V ielleicht wieder eine von diesen Übungen, die Bohemund so liebt.«
    Doch es war keine Übung.
    Als die Männer aus dem Zelt traten, sahen sie sofort, was die Wachen so in Aufregung versetzte: Ringsum auf den Hügel­ g raten, die das Tal umgaben, waren feindliche Soldaten aufmarschiert, seldschukische Krieger, deren Silhouetten sich bedrohlich gegen den dämmernden Morgenhimmel abzeichneten. Conn schluckte, denn soweit er es beurteilen konnte, mussten es Tausende sein.
    »Zu den Waffen! Zu den Waffen!«
    Der Ruf erklang, und aus der Lethargie, die die Männer eben noch gefangen hielt, wurde lärmende Betriebsamkeit. Hals über Kopf stürzten sie zurück in die Zelte, legten in aller Hast ihr Rüstzeug an und griffen zu den Waffen – während oben auf den Hügeln die türkischen Bogenschützen die Sehnen zurückzogen und einen ersten Schwarm gefiederten Verderbens auf das Feldlager niedergehen ließen.
    Ein unheimliches Rauschen erfüllte die Luft, als Tausende von Pfeilen in den grauen Himmel stiegen, ihre Spitzen senkten und schließlich mit vernichtender Wucht auf das Lager und seine Bewohner niedergingen. Mit furchtbarer Gewalt schlugen die Geschosse ein, durchdrangen die Bahnen der Zelte und die Planen der Wagen, die die bislang erbeuteten Vorräte trugen. Todesschreie vermischten sich mit heiser gebrüllten Befehlen, von einem Augenblick zum anderen brach Panik unter den Kreuzfahrern aus.
    Ein junger Knappe, der sich unmittelbar vor Conn auf den Boden geworfen hatte, um dem Pfeilhagel zu entgehen, wurde ins Genick getroffen und war augenblicklich tot. Andere bekamen Pfeile in den Oberkörper und blieben schreiend liegen. Auch Tiere wurden von Geschossen ereilt, Pferde und Maulesel, die in entsetzliches Wiehern verfielen. Und schon setzten die Bogenschützen zu einer zweiten Salve an …
    »Bockmist«, ereiferte sich Bertrand. Hastig eilten auch sie ins Zelt zurück, um sich die Kettenhemden überzustreifen, die ihnen zumindest etwas Schutz vor den feindlichen Geschossen gewähren würden. »W o kommen die plötzlich alle her?«
    »W ir sind fremd in diesem Land, vergiss das nicht«, erwiderte Conn. »Sie hingegen kennen jeden Stein.«
    » Das ist nicht gut«, bemerkte der untersetzte Normanne kopfschüttelnd, und zum ersten Mal meinte Conn, Furcht in seinen sonst so unbekümmerten Zügen zu lesen. »Ganz und gar nicht gut …«
    Sie setzten die Helme auf und griffen zu den Schilden, dann stürmten beide wieder nach draußen. Soeben ging eine weitere vernichtende Ladung von Pfeilen nieder. Die Männer rissen die Schilde hoch und duckten sich in ihren Schutz. Conns Schild erbebte, als sich gleich zwei Geschosse hineinbohrten. Beide Spitzen gruben sich tief in das Holz, jedoch drang keine hindurch.
    Im Lager war Chaos ausgebrochen. Nur vereinzelt wurde Gegenwehr geleistet, hier und dort entließen flämische Bogenschützen Pfeile von den Sehnen, doch ihre Anzahl war lächerlich gering im Vergleich zu den todbringenden Schwärmen, die von beiden Seiten des Tals niedergingen und sich mit hässlichem Geräusch in menschliche wie tierische Leiber bohrten.
    Schreie waren allenthalben zu hören, die Befehle der Unterführer drangen kaum noch durch. Überall lagen mit Pfeilen gespickte Körper, reckten Verwundete die Arme in die Höhe im verzweifelten Bemühen um Hilfe. Immerhin war die erste Überraschung verwunden, und zumindest die schwer gerüsteten Kämpfer waren dem Hagel der Pfeile inzwischen nicht mehr ganz so schutzlos ausgesetzt.

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