Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
blickte, sah er den Wolfskrieger über sich stehen, die Axt beidhändig erhoben, um ihm Schädel und Helm gleichermaßen zu zerschmettern.
Conn war wie vom Donner gerührt. Ihm wurde bewusst, dass dies das Ende war – und es kam ihm entsetzlich sinnlos vor.
Warum war er nicht in London beim Diebstahl geschnappt worden wie der arme Tostig und hatte ein schmähliches Ende am Galgen gefunden? Warum war er nicht in der stürmischen See ertrunken oder während des langen Marsches nach Osten verhungert? Warum hatte er all diese Fährnisse überstanden, wenn ein grässlicher Axthieb seinem Leben nun ein so jähes und grausames Ende setzte?
Conn wusste, dass er keine Antwort bekommen würde. Instinktiv schloss er die Augen, als könnte er das Unausweichliche so verhindern – als plötzlich etwas sein Gesicht benetzte. Er riss die Augen auf und sah, dass sich der Rock seines Gegners rot verfärbt hatte. Aus seiner Brust ragte die blutige Spitze eines Schwertes.
Der muslimische Kämpfer beendete sein Leben in Todeszuckungen. Das Schwert wurde herausgerissen, der leblose Körper des Wolfskriegers brach zusammen – und hinter ihm stand Renald de Rein, begleitet von zwei seiner Ritter. Helm, Gesicht und Rüstung des Barons waren blutbesudelt, seine kleinen Augen loderten vor Kampfeswut. »Damit ist die Schuld wohl beglichen, Angelsachse«, sagte er.
Conn murmelte einen knappen Dank und sah zu, dass er die Beine wieder unter seinen Körper brachte. Ringsum wogte der Kampf weiter; Conn sah Bertrand, der sich einer erdrückenden Übermacht von Turkmenen gegenübersah, und wollte ihm zu Hilfe kommen, doch de Rein hielt ihn zurück.
»Komm mit«, forderte er ihn auf.
»W ohin?«
»Zu den Pferden! Wir wagen den Ausbruch!«
C onn starrte de Rein in das fleischige, von roten Sprenkeln übersäte Gesicht. Ausbruch – dieses Wort weckte Hoffnung. Aber es bedeutete auch, dass die Bogenschützen und Fußsoldaten, all jene, die nicht über ein Pferd und schwere Panzerung verfügten, zurückbleiben und dem sicheren Tod überlassen würden.
Auch Bertrand.
»Nein«, rief er instinktiv und schüttelte den Kopf. »Das dürfen wir nicht!«
»W illst du die Befehle Herrn Bohemunds anzweifeln?«, brüllte de Rein über den Schlachtenlärm hinweg.
Conns Blicke flogen zwischen de Rein und dem bedrängten Bertrand hin und her, der sich nicht mehr lange halten können würde.
»Bertrand ist mein Freund«, stieß er hervor. »Ich muss ihm helfen!«
»Nein. Ich bin dein Anführer! Deine Sorge hat mir zu gelten und niemandem sonst, verstanden?«
Connwulfs Zögern währte nur einen Augenblick. »Ich kann nicht, Herr!«, rief er, und noch ehe der Baron etwas erwidern konnte, hatte sich Conn bereits abgewandt und in das Kampfgetümmel gestürzt, das ihn sogleich verschlang.
Was de Rein tat, bekam er nicht mehr mit – seine ganze Aufmerksamkeit galt Bertrand. Mit zusammengebissenen Zähnen schwang Conn das Schwert und fällte einen feindlichen Kämpfer, einen weiteren rannte er mit dem Schild über den Haufen. Mit wuchtigen Hieben schlug er um sich und bahnte eine blutige Schneise in den Kordon der Krieger, die den armen Bertrand umlagerten. Erst als er den Freund erreichte, der am linken Ohr heftig blutete und dessen Helm eine tiefe Delle aufwies, merkte Conn, dass er die ganze Zeit über wie von Sinnen geschrien und seine Wut laut hinausgebrüllt hatte. Im wilden Rausch des Kampfes brachte er einem weiteren Turkmenen eine klaffende Wunde bei, dann rief er Bertrand zu, dass sie sich zu den Pferden durchschlagen sollten.
C onn war wahrlich nicht stolz darauf, aber er war zu der Einsicht gelangt, dass der gestrenge Bohemund recht hatte: Wenn sie blieben und bis auf den letzten Mann niedergemacht wurden, war die Schlacht in jedem Fall verloren. Wenn hingegen den berittenen Kämpfern der Ausbruch gelang, bestand noch ein Funke Hoffnung.
Bertrand hatte weit weniger Probleme, dem Befehl Herrn Bohemunds zu folgen. Seite an Seite mit Conn bahnte er sich einen Weg durch das wogende Getümmel, hin zu den Pferden. Zwar waren viele Schlachtrosse im Pfeilhagel verendet, der überwiegende Teil hatte jedoch unter ausladenden Bäumen gelagert und war den Geschossen entgangen. Da auch die Anzahl der Reiter durch den Beschuss reduziert worden war, waren genügend Tiere vorhanden.
In aller Eile wurden sie gesattelt. Schon bestiegen die ersten Ritter ihre Pferde, die Schilde hochhaltend, um sich gegen Speere, Pfeile und Steine zu schützen, die einige
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