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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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anderer als ich trägt daran Schuld.«
    »Das ist nicht wahr.«
    »Nein?« Er lächelte schwach. »W ie ich schon sagte – du bist eine schlechte Lügnerin, und auch das hast du von ihr. Ich weiß, dass ich gefehlt habe. Und ich weiß, dass Gott mich bestraft hat, indem er mir nahm, was ich als fest gegeben erachtete, statt ihm an jedem einzelnen Tag dafür zu danken. Nur du bist mir geblieben«, fügte er sanft hinzu und strich über ihre schwarzen Haare. »Du bist alles, was mir noch etwas bedeutet.«
    »Und deine Arbeit? Das Kontor?«
    Der Kaufmann schüttelte den Kopf. »W er weiß zu sagen, was sein wird? Wir sollten damit aufhören, uns an Dinge zu klammern, die nicht von Bestand sind. Vielleicht wird all dies schon bald in Rauch und Feuer aufgehen. Und wieso auch nicht? Mir ist nicht mehr daran gelegen.«
    Chaya fühlte, wie leises Entsetzen sich ihrer bemächtigte. So hatte sie ihren Vater noch nie zuvor reden hören. »Du glaubst also, dass die Drohungen wahr werden könnten? Dass die Christen tatsächlich ihre Hand gegen uns erheben?«
    Isaac schaute sie lange an. »Das weiß Gott allein. Geliebt haben sie uns nie, doch haben sie uns stets gewähren lassen – in jüngster Zeit jedoch hat ihre Abneigung gegen uns ein gefährliches Ausmaß angenommen. Und durch den Tod deiner Mutter ist mir eines offenbar geworden – dass wir in einer Zeit des Umbruchs und der Veränderung leben. Kein Volk auf Erden weiß besser als das unsere, dass solche Zeiten schmerzvoll und voller Abschiednehmen sind.«
    »Abschiednehmen?« Ihre Augen verengten sich. »W ovon sprichst du?«
    Der Blick ihres Vaters blieb auf sie geheftet, obwohl er sie nicht wirklich zu sehen schien. Vielmehr kam es Chaya vor, a ls würde er in eine ferne, dunkle Zukunft schauen, die sich irgendwo jenseits der mit Listen und Verzeichnissen gefüllten Regale des Arbeitszimmers befand. »Schwere Zeiten liegen hinter uns, meine Tochter«, flüsterte er. »Aber womöglich stehen uns die wirklichen Prüfungen erst noch bevor. Jene, an denen Gott die Seinen erkennt, indem er sie prüft wie einst Abraham.«
    »W -was genau bedeutet das?« Natürlich kannte Chaya die Geschichte des gottesfürchtigen Abraham, dem vom Herrn aufgetragen worden war, seinen eigenen Sohn zu opfern. Aber sie verstand nicht, warum ihr Vater ausgerechnet dieses Beispiel wählte. »Du machst mir Angst.«
    »Das möchte ich nicht.« Isaacs Blick, der jäh wieder in die Gegenwart zurückzufinden schien, verriet ehrliches Bedauern. »Nicht Leichtfertigkeit ist es, die mich diese Worte wählen lässt, sondern die ehrliche Sorge eines Vaters, und ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg als jenen, den ich möglicherweise beschreiten muss.«
    »W as für einen Weg? Wovon sprichst du?«
    »Ich kann es dir nicht sagen, meine Tochter.« Er breitete die Arme aus, worauf sie sich erhob und ihn umarmte, sich an ihn schmiegte, wie sie es als kleines Mädchen getan hatte, wenn ihr Cousin Caleb sie gestoßen und sie sich die Knie wund geschlagen hatte. »Aber ich versichere dir, dass du mich verstehen wirst. Eines Tages, Chaya, wirst du mich verstehen.«

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5.
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    London
25. Mai 1096
    Die Reise war lang und beschwerlich gewesen.
    Schon bei günstigem Wetter benötigte man zwei Wochen, um vom fernen Northumbria nach London zu gelangen. Infolge der ausgiebigen Regengüsse, die sich über dem Norden des Landes entladen und einen Großteil der Straßen in matschige Rinnen verwandelt hatten, hatte der Ritt jedoch fast doppelt so lang gedauert.
    Guillaume de Rein verabscheute den Regen ebenso, wie er England verabscheute, diesen schäbigen Brocken Erde, der übersät war mit dunklen Wäldern und durchsetzt von Sümpfen und Mooren. Er wusste beim besten Willen nicht, was William den Bastard dazu bewogen hatte, die Normandie zu verlassen und Anspruch auf den englischen Thron zu erheben. In Guillaumes Augen war es ein schlechter Handel gewesen, denn anders als auf dem Festland gab es hier weder Kultur noch Fortschritt, und das Land wurde bevölkert von starrsinnigen, stinkenden Schweinehirten, mit deren plumper Zunge der junge Normanne sich ebenso wenig anfreunden konnte wie mit ihrem bäuerischen, schwerfälligen Wesen.
    Obwohl er bereits seit seiner frühen Kindheit in England weilte, hatte er sich beharrlich geweigert, die Sprache der Angelsachsen zu erlernen. Weshalb auch? Waren sie nicht die Unterlegenen? Hätten nicht vielmehr sie sich die Sprache der E roberer aneignen sollen? Aber vermutlich

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