Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
für die willkommene Ablenkung starrte Guillaume sie an. Als sie sich abwenden wollte, um das Joch mit den nunmehr gefüllten Wassereimern zum Turm zu tragen, begegneten sich ihre Blicke. Zu Guillaumes Erheiterung erschrak die Sklavin und starrte sogleich wieder zu Boden, wobei sie ehrerbietig das Haupt senkte.
Er jedoch war überzeugt, in diesem kurzen Moment das ungestillte Verlangen in ihren Augen gesehen zu haben.
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6.
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Worms
Zur selben Zeit
»Tötet sie! Tötet die Mörder Christi!«
Laut und schrecklich drang der Schlachtruf durch die Halle. Nur wenige Male war der Rammbock gegen das Eingangstor geprallt, das unter den Einschlägen erzitterte, dann hatte das alte Holz nachgegeben und grobschlächtige Gestalten, die teils mit Klingen und Speeren, teils aber auch mit Knüppeln und brennenden Fackeln bewaffnet waren, waren eingedrungen.
Die Männer, Frauen und Kinder, die in der Halle Zuflucht gesucht hatten in der Hoffnung, hier Schutz zu finden, schrien entsetzt auf. Unwillkürlich wichen sie zur rückwärtigen Seite der Halle zurück, sich aneinanderdrängend wie eine Herde Schafe, über die eine Meute hungriger Wölfe hereinbrach. Und wie Wölfe wüteten die Mordbrenner unter ihnen.
Die Ersten, die ihren Hass und ihre Mordlust zu spüren bekamen, waren jene Männer, die sich der erdrückenden Übermacht zum Trotz den Angreifern entgegenstellten. Mit Messern und Dolchen bewaffnet, wollten sie ihrer Raserei Einhalt gebieten, aber der Widerstand wurde im Keim erstickt. Knüppel fuhren mit furchtbarer Gewalt nieder und zerschmetterten Schädel, Speerspitzen zuckten vor und bohrten sich in unschuldiges Fleisch. Frauen, Kinder und Greise schrien, als sie ihre Ehemänner, Väter und Söhne in Fontänen von grell r otem Blut niedergehen sahen, das die Angreifer bespritzte und ihre Mordlust nur noch weiter anstachelte.
»Bekehrt euch«, rief einer von ihnen, der eine Mönchskutte trug und in dessen Augen brennender Irrsinn loderte, »bekehrt euch oder erhaltet die gerechte Strafe für euren Frevel!«
Schon wurde ein Mann gepackt und auf die Knie geworfen. Der Mönch forderte ihn auf, bei dem hölzernen Kreuz, das er um den Hals trug, seinem Glauben abzuschwören und sich zum Christentum zu bekennen. Der Mann, ein gläubiger Jude, dessen Haupt eine Kippa bedeckte, verweigerte dies – worauf einer der Mordbrenner ihm mit einem einzigen Schwertstreich das Haupt von den Schultern hieb.
Der kopflose Torso hatte den blutbesudelten Boden noch nicht erreicht, als Panik unter den Versammelten ausbrach. Schreiend wichen sie zurück, doch die schmale Tür an der Rückseite der Halle ließ jeweils nur wenige hindurch. Die überwältigende Mehrheit musste erkennen, dass das Haus des Bischofs, von dem sie sich Sicherheit und Schutz versprochen hatten, zur tödlichen Falle geworden war.
Das Blutvergießen ging weiter.
Wer sich erdreistete, eine Waffe oder auch nur die geballte Faust gegen die Angreifer zu erheben, der wurde sofort getötet, anderen ließ man die Chance, ihr Leben zu retten, indem sie ihre Religion verleugneten. Nur wenige, vor allem Mütter, die ihre Kinder retten wollten, machten jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch. Die meisten hielten an ihrem Glauben fest und fanden unter Keulenschlägen und Schwerthieben ein grausames Ende – wenn sie ihren Angreifern nicht schon zuvorgekommen waren. Denn um der Schande zu entgehen, durch Feindeshand zu sterben, zogen zahllose Männer und Frauen es vor, sich selbst und ihren Kindern die Kehle durchzuschneiden.
Über allem tönte die Stimme des Mönchs, der mit loderndem Blick verkündete: »Seht, dies ist das Ende der alten und der Beginn einer neuen Zeit! Die Ungläubigen erkennen ih r en Frevel und fallen von eigener Hand, der wahre Glaube hingegen erstrahlt heller als je zuvor! Dies spricht Folkmar, der Racheengel, den der Herr gesandt hat, um die Heiden zu strafen!«
Und er warf den Kopf in den Nacken und begann laut zu lachen. Sein sich überschlagendes Gelächter hallte von der hohen Decke wider und drang durch das offene Tor, um die Kunde von der Blutnacht in alle Welt zu tragen.
Köln
Wenige Tage später
In der Synagoge war es vollkommen ruhig geworden. Selbst die Gedanken der Ratsmitglieder schienen plötzlich verstummt zu sein, so groß war das Entsetzen.
Erneut hatte Daniel Bar Levi, der Parnes von Köln, den Gemeinderat einberufen, und wiederum war man im Haus Gottes zusammengetroffen, um über die jüngsten Entwicklungen zu beraten. Die
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