Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
lebst, dass sie dich foltern und dir die Eingeweide herausreißen!«
Mund und Augen weit aufgerissen, starrte Eustace ihn an. Guillaume wartete auf seine Erwiderung, die Hand in der Nähe seines Dolchs.
Es wäre leicht gewesen, die Waffe zu zücken, sie dem geschwächten Rivalen in die Brust zu stoßen und so die Machtverhältnisse in der Bruderschaft ein für alle Mal zu klären. Einen Augenblick lang erwog Guillaume, es zu tun.
Dass er sich dagegen entschied, lag nicht etwa daran, dass er mit Eustace Mitleid gehabt hätte oder sich ihm in irgendei n er Weise verpflichtet fühlte; sondern weil seine Mutter es ihm ausdrücklich untersagt hatte. Eleanor war der Ansicht, dass Eustaces plötzliches Ableben innerhalb der Bruderschaft zu viele Fragen aufgeworfen hätte. Außerdem schien sie eine gewisse Vorliebe für den Provenzalen zu hegen, was Guillaume doppelt eifersüchtig machte.
Plötzlich erlosch die Flamme des Widerstands in Eustaces Blick. Sein Mund klappte wieder zu, und er sank auf den Hocker zurück. »Tu, was du tun musst«, ächzte er – und Guillaume wusste, dass er den Kampf gewonnen hatte.
»Adelar?«, rief er laut.
Einer der beiden Vertrauten, die vor der Tür Wache gehalten hatten, trat ein. »Ja, Bruder?«
»Hol Bartholomaios herein. Es gibt viel zu besprechen.«
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6.
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Antiochia
15. Juni 1098
Conns Lider waren schwer wie Blei. Als es ihm dennoch gelang, sie für einen Moment zu heben, war er sicher, sein sterbliches Dasein hinter sich gelassen zu haben und im Jenseits angelangt zu sein.
»Nia?«
Conns Stimme klang seltsam fremd in seinen Ohren, so als hätte er sie eine Ewigkeit nicht gehört. Wie gebannt schaute er zu dem Gesicht auf, das über ihm schwebte. Dunkles Haar umgab die anmutigen Züge, die Augen waren voller Zuneigung und Liebe.
»Nia«, murmelte er. »Endlich.«
»Ich bin es, Conn«, erwiderte sie mit einer Stimme, die sanft war und voller Mitgefühl, jedoch nicht zu ihr passte. Durch die Schleier der Benommenheit nahm Conn zur Kenntnis, wie sich ihr Gesicht veränderte, nur der liebevolle Ausdruck ihrer Augen blieb bestehen. Jäh wurde ihm klar, dass er sich geirrt hatte. Es war nicht Nia, in deren Gegenwart er die Augen aufgeschlagen hatte, und ganz offensichtlich war er auch nicht gestorben.
Verblüfft schoss er von seinem Lager hoch, aber brennender Schmerz, der von seiner Schulter in seinen Nacken sprang und von dort in den Schädel schoss, ließ ihn sofort wieder niedersinken.
» Chaya«, stieß er stöhnend hervor. »W ie …?«
»Ruhig«, ermahnte sie ihn und drückte ihn sanft, aber bestimmt auf sein strohgedecktes Lager zurück. »Du musst dich schonen, Conn. Du hast Fieber. Und du hast sehr viel Blut verloren.«
»Blut verloren«, echote er und starrte sie verständnislos an. Seine Erinnerungen waren bruchstückhaft, wie die Scherben eines Mosaiks. Der Angriff auf die Stadt, die Kämpfe in den Gassen – all das war gegenwärtig, aber er vermochte es nicht zu ordnen. Wie war er hierhergekommen? Und wo war er überhaupt?
Verwirrt schaute er sich um, konnte jedoch nicht sehr viel mehr erkennen als trübe dunkle Flecke, die ineinanderschwammen. Dafür hörte er entsetzliche Schreie, und der Gestank von Exkrementen und geronnenem Blut stach in seine Nase.
»Du bist in einem Verwundetenlager, das die Cluniazenser unterhalten«, beantwortete jemand seine unausgesprochene Frage. Eine massige Gestalt trat hinter Chaya, die Conn jedoch erst erkennen konnte, als sie sich zu ihm herabbeugte – Baldric.
Conn versuchte ein Lächeln, aber er hatte die Kontrolle über seine Gesichtsmuskeln noch nicht zurückgewonnen, sodass es beim Versuch blieb. »V er… verzeih«, presste er stattdessen hervor, worauf sein Adoptivvater resignierend schnaubte.
»Zwei Tage lang haben wir dich gesucht, Junge, und nur einer glücklichen Fügung ist es zu verdanken, dass man dich nicht mit den Toten begraben hat. Die Mönche haben für dich getan, was sie konnten, aber sie sind mit ihrer Weisheit am Ende. Deshalb habe ich Hilfe geholt.«
Conn wollte sich Chaya zuwenden, um sich, geschwächt wie er war, bei ihr zu bedanken – als ihm plötzlich etwas einfiel. Das letzte Mal, als er Chaya gesehen hatte, war sie …
»Es ist gut«, versicherte sie lächelnd. »Dem Kind geht es gut.«
E r wusste nicht, ob er die Frage tatsächlich gestellt oder ob sie sie erraten hatte – seine Freude jedoch war überwältigend, trotz seiner Schmerzen und des Fiebers, das ihn quälte.
»Ist es
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