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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

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Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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rechten Weg zu weisen.
    Die Erkenntnis traf Berengar wie ein Blitzschlag, und einem Fanal gleich standen ihm die hebräischen Worte vor Augen, so als hätten sie sich mit feuriger Glut in seine Sinne eingebrannt.
    ARON HABRIT

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9.
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    Steppe südwestlich von Antiochia
20. Juni 1098
    Es war ein Traum.
    Einem Vogel gleich breitete Bahram al-Armeni die Flügel aus und schwang sich in die Lüfte. Allen Gesetzen der Natur zum Trotz fiel er nicht zurück zum Boden, sondern schwebte in luftiger Höhe.
    Die Mauern, die sein Sichtfeld eben noch begrenzt hatten, fielen unter ihm zurück, und er stieg senkrecht empor. Der Logik des Traumes folgend, wunderte er sich nicht darüber; es war ihm auf seltsame Weise selbstverständlich, wie ein Geschöpf des Himmels auf den Schwingen des Windes zu reisen und auf die Welt hinabzublicken, auf die hohen Mauern und engen Windungen, denen er nur mit knapper Not entronnen war.
    Schon nach wenigen Augenblicken wusste Bahram nicht mehr zu sagen, von wo aus er zu seinem Flug aufgebrochen war. Die Mauern, die in einem rechtwinklig angeordneten System gebaut waren, ähnelten einander, sodass eine Orientierung unmöglich war. Die Wege, die sich zwischen ihnen erstreckten, endeten bald in kurzen Sackgassen, bald schienen sie ans Ziel zu führen, nur um jäh von einer weiteren Wand begrenzt zu werden, die unvermittelt auftauchte. Je höher Bahram stieg, desto mehr Mauern wurden sichtbar. Von einem Horizont zum anderen erstreckten sie sich, und ein Menschenleben hätte wohl nicht ausgereicht, um alle Wege zu begehen.
    E in endloses Labyrinth.
    Der Augenblick der Erkenntnis war auch der, in dem Bahram die Augen aufschlug. Er fand sich auf kargem Boden liegend, im Schutz eines großen Felsens. Vor ihm, in einer Grube, damit es aus der Ferne nicht sofort gesehen werden konnte, flackerte ein Feuer, das er entfacht hatte, um Schlangen und Skorpione fernzuhalten. Über ihm funkelten die Sterne einer klaren Nacht, friedvoll und unergründlich, der Ereignisse ungeachtet, die sich auf Erden abgespielt hatten.
    Weshalb Bahram von einem Labyrinth geträumt hatte, wusste er nicht. Vielleicht, weil es seinen eigenen Zustand in gewisser Weise spiegelte; weil er selbst nach einem Ausweg suchte und ihn nicht fand.
    Die Wunde schmerzte.
    Bahram hatte die Speerspitze nicht kommen sehen, die unterhalb seiner linken Hüfte das Rüstzeug durchstoßen hatte und ein Stück in den Oberschenkel gedrungen war. Er hatte nur ein heißes Brennen gefühlt und alle Hände voll damit zu tun gehabt, im Sattel zu bleiben, denn das Pferd hatte sich in wilder Panik aufgebäumt und ihn um ein Haar abgeworfen.
    An den Rest erinnerte sich Bahram nur dunkel – daran, wie er die Zügel fest gefasst und mit dem Schwert wahllos um sich geschlagen hatte, in der festen Überzeugung, seinen letzten Kampf zu fechten. Er vermochte nicht zu sagen, bei wie vielen Gegnern die Klinge durch Fleisch und Knochen gedrungen war, aber es war sein Glück gewesen, dass seine ghulam , die sich auf Kur-Baghas Weisung hin zunächst zurückgehalten und erst vergleichsweise spät in die Schlacht eingegriffen hatten, auf eine Horde Leichtbewaffneter getroffen waren – hätte es sich um eine Schlachtreihe gepanzerter Reiter gehandelt, wäre Bahram vermutlich nicht entkommen. Er entsann sich, zusammen mit einem Unterführer namens Yussuf den Kordon der Angreifer durchbrochen zu haben. Trotz seiner Wunde und der quälenden Schmerzen hatte er versucht, die askar neu zu ordnen. Doch die Schlacht war bereits entschieden g ewesen, die Auflösungserscheinungen in Kur-Baghas Heer zu weit vorangeschritten, als dass die Tapferkeit Einzelner die Niederlage noch hätte abwenden können.
    Einer der Ersten, die sich zur Flucht wandten, war Duqaq von Damaskus gewesen, der Tatsache ungeachtet, dass noch hunderte seiner Krieger in den Kampf gegen den Feind verstrickt waren. Die Aussicht einer zweiten vernichtenden Niederlage innerhalb weniger Monate hatte Duqaqs hochfliegenden Plänen ein jähes Ende gesetzt und ihn dazu bewogen, dem Atabeg von Mossul das ohnehin nur brüchige Bündnis aufzukündigen. Und er war keineswegs allein gewesen.
    Auch andere Emire, die wohl befürchteten, dass Kur-Baghas ohnehin schon beträchtliche Machtfülle noch zunehmen könnte, wenn er den Kampf um Antiochia für sich entschied, hatten ihren Kriegern im entscheidenden Moment den Rückzug befohlen – dann nämlich, als es darauf angekommen war, den feindlichen Ausfall ins Leere laufen zu

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