Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
treten, um ihn nach brauchbarem Stoff zu durchwühlen, als er unwillentlich Zeuge eines Gesprächs wurde, das zwei Mönche in nur wenigen Schritten Entfernung miteinander führten.
Der eine, ein trotz seiner hageren Gestalt und strengen Züge leutselig wirkender Mann, dessen Tonsur längst von der Kahlheit des Alters eingeholt worden war, war Pater Antonius, der Prior der cluniazensischen Ordensbrüder. Den anderen kannte Conn nicht, aber ihren Mienen war zu entnehmen, dass beide sich sorgten.
»… nicht umhin, die Rationen abermals zu verkleinern«, hörte Conn Antonius sagen.
»Pater«, widersprach der andere, »bedenkt, was Ihr sagt! Schon jetzt bekommen die Schwächsten kaum mehr als einen Bissen Brot und mit Glück etwas Honig. Wenn wir noch strenger rationieren …«
»Dessen bin ich mir bewusst, mein guter Anselmo«, entgegnete Antonius und ließ ein resignierendes Seufzen vernehmen. »Die meisten von uns verzichten aus diesem Grund auf ihre eigene Ration und geben das wenige, das ihnen zusteht, den Bedürftigen. Aber leider ist es keinem von uns gegeben, z u tun, was unser Herr Jesus tat. Die Brotkörbe werden sich nicht füllen, nur weil wir es wollen, Bruder. Wir müssen das wenige teilen, das wir haben …«
»… während die Wohlhabenden im Überfluss schwelgen«, wetterte Anselmo. »Es ist eine Schande, wie de Rein und seine Leute …«
Conn verharrte wie versteinert.
Hatte er den Namen de Rein tatsächlich gehört oder hatten ihm seine Ohren einen Streich gespielt?
»Damit habt Ihr leider recht«, räumte Pater Antonius ein. »Dennoch haben nicht Guillaume de Rein und seine Leute, sondern wir uns verpflichtet, Benedikts Regeln gemäß zu leben. Und die Starken nehmen sich nun einmal, was sie zum Überleben brauchen. Das ist schon immer so gewesen.«
Guillaume de Rein.
Conn hatte sich also nicht verhört. Pflichtvergessen wandte er sich von dem Kleiderhaufen ab und den beiden Mönchen zu, die ihr Gespräch unbeirrt fortsetzten.
»Und wenn wir versuchen, außerhalb der Stadt Proviant zu beschaffen? Ich habe gehört, dass es in Rugia noch ausreichend Nahrung gibt.«
»Rugia befindet sich in der Hand des Feindes. Dennoch dürft Ihr mir glauben, dass ich keinen Augenblick zögern würde, mich dorthin zu begeben, wenn ich die nötigen Mittel dazu …« Pater Antonius verstummte, als er Conn bemerkte. »Kann ich Euch helfen, junger Freund?«
»Ich – äh – weiß nicht«, gestand Conn verlegen. »V erzeiht, ich wollte Euch nicht belauschen, aber Ihr erwähntet soeben einen Namen, Guillaume de Rein.«
Hätte Conn einen Fluch ausgestoßen, die Wirkung wäre kaum anders gewesen. Antonius’ asketische Züge verrieten schiere Missbilligung, im Gesicht des anderen Ordensbruders standen Furcht und Zorn zu lesen.
»W arum?«, fragte er vorsichtig. »Gehört Ihr zu seinen Leuten?«
»Nein, nein. Ich hörte Euch nur von ihm sprechen und …«
» Seid Ihr einer seiner Spitzel?«, wurde der Mönch noch deutlicher. Sein Zorn auf Guillaume schien die Furcht zu überwiegen.
»Spitzel?« Conn horchte auf.
»Gewiss doch. Jeder weiß, dass Guillaume de Rein seine Ohren überall hat, er und dieser Bastard von Privas.«
»Anselmo«, rief Antonius seinen Mitbruder zur Ordnung. »Du versündigst dich.«
»Und wenn schon. Jeder weiß, dass de Privas und de Rein unter einer Decke stecken. Der eine sorgt dafür, dass die wenigen Nahrungsmittel, die noch im Umlauf sind, nicht die erreichen, die ihrer am nötigsten bedürfen, der andere verschachert sie an jene, die in klingender Münze dafür bezahlen. Manche behaupten sogar, dass die beiden jener Bande vorstehen, die marodierend durch die Lande zieht und friedliche Karawanen überfällt.«
»Ihr meint – die Tafur?«, fragte Conn. Seine Fäuste ballten sich, sein Blut geriet in Wallung. De Rein, de Rein und immer wieder de Rein. Konnte er keinen Schritt tun, ohne auf diese grässliche Sippe zu stoßen? Aus seiner Sicht war es Guillaume durchaus zuzutrauen, dass er hinter den feigen Überfällen steckte, die die Tafur zu verüben pflegten, was seiner langen Liste von Vergehen noch einen weiteren Mord hinzufügte, nämlich den an Chayas Vater.
»Habt Ihr Beweise für Eure Vermutung?«, wollte er wissen.
»Nein«, antwortete Antonius. »Es gibt auch Stimmen, die behaupten, dass die Tafur Ritter aus Flandern seien, die sich von ihrem Grafen Robert losgesagt haben. Oder fränkische Söldner.«
»Ich verstehe.« Conn war enttäuscht. Guillaume de Rein schien
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